: Das ist doch der Drogen-Gipfel!
Mit viel Pomp von den USA in Szene gesetzt, wird sich der heutige Kurz-Drogengipfel im kolumbianischen Cartagena als Theaterdonner erweisen / Die Andenländer Kolumbien, Bolivien und Peru haben ganz andere Probleme und Interessen als der Bush-Krieger ■ Von unseren Korrespondenten
„Wieviel Geld für wieviel Krieg?“ - Mit dieser Frage ließe sich zusammenfassen, was bei dem Drogengipfel zur Debatte steht, zu dem heute die Präsidenten der Andenländer Kolumbien, Peru und Bolivien mit ihrem Amtskollegen George Bush in der kolumbianischen Stadt Cartagena zusammenkommen.
Doch die Formulierung täuscht darüber hinweg, daß die eine Verhandlungspartei weitgehend allein bestimmen wird, wieviel Krieg sie will und wieviel Geld sie als Entschädigung springen läßt: Für die USA steht die Story aus Cartagena jetzt schon fest. Gespielt wird, so formulierte es deshalb bereits in der letzten Woche ein US-Beamter, das beeindruckende Maß an Übereinstimmung zwischen den Präsidenten der vier Teilnehmerländer. Der Bush-Krieger zusammen mit drei (mühsam) lächelnden Staatschefs aus Lateinamerika, das gibt daheim in den USA wieder Punkte im Feldzug gegen die Drogen.
Daß die kleine Kokain-Konferenz nicht in Washington D.C., Houston oder Los Angeles stattfindet, hat seine Gründe. George Bushs Reise in das von Mordanschlägen gebeutelte Kolumbien gibt ihm eine neue Gelegenheit, seine Unerschrockenheit unter Beweis zu stellen. Daß sich die Öffentlichkeit im Vorfeld des Präsidentengipfels mehr für die Sicherheitsvorkehrungen als die Thematik des Gipfels interessierte und 75 Prozent der US-Bürger nach jüngsten Umfragen ihrem Präsidenten von der Reise abrieten, kann Bush nur freuen. Umgeben von einem Heer von 5.000 Sicherheitsbeamten sollte es ihm nicht allzu schwer fallen, die Sechs-Stunden-Konferenz auf einer hermetisch abgeriegelten Landzunge bei Cartagena heil zu überstehen. Dennoch: Die US-Nation wird es ihrem ehemals als Waschlappen verschrieenen Präsidenten danken, daß er ihr einen neuen Nervenkitzel bereitet.
Die Entführung zweier US-Bürger am Dienstag, zu der sich die Guerilla-Organisation ELN bekannte, die eine der beiden Geiseln gestern wieder freiließ, kann Bushs Heldenimage nur stärken. Auch aus den Protestdemonstrationen gegen die Südamerika-Politik der USA, die am Dienstag in mehreren Städten Kolumbiens stattfanden und bei denen es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei kam, wird Bush am Verhandlungstisch Gewinn schlagen können.
Schließlich soll die Verortung des Drogenproblems auch symbolisch eindeutig sein: Die Gefahr, das will der Bush -Besuch in Kolumbien signalisieren, kommt aus den Anden. „Kolumbien, Bolivien und Peru“, so lautet die Botschaft, „sollen ihren Staat erst einmal in Ordnung bringen, wir helfen ihnen ja schließlich dabei.“ In ihrer internen Drogenbekämpfung werden die USA nicht weit kommen, da sich Millionen von Kokainkonsumenten kaum von einem auf den anderen Tag das Schnupfen abgewöhnen werden.
Wenn daheim nichts zu machen ist, dann eben im Hinterhof: Washington verlagert den Drogenkrieg - der nicht mehr nur eine reine Metapher ist - auf die produzierenden und anbauenden Länder. Der kolumbianische Politologe Juan Gabriel Tokatlian erwartet sich von dem Gipfeltreffen eher ein symbolisches denn wirklich durchsschlagendes Ergebnis: „Die USA wollen die Regierungen der Andenländer davon überzeugen, daß die lokalen Streitkräfte verstärkt in den Kampf gegen die Drogen eingespannt werden müssen. Man muß sehen, was sie im Gegenzug an wirtschaftlichen Hilfen abieten.“ Vor allem aber, so der Experte für internationale Aspekte des Drogenhandels, solle das Gipfeltreffen eine Aura der Übereinstimmung suggerieren, damit die USA hinterher wieder mit jedem Land einzeln verhandeln könnten.
Das in Cartagena zu unterzeichnende Abkommen ist bereits vor Wochen von Regierungsbeamten der beteiligten Länder im bolivianischen Santa Cruz verhandelt worden. Die Bush -Administration verpflichtet sich, die Geldwäscherei härter zu verfolgen. Die südamerikanischen Teilnehmer werden in Zukunft verstärkt Geheimdienstinformationen über Drogendeals und -wege den USA zukommen lassen. US-Militärs sollen die Sicherheitsbehörden der Andenstaaten ausbilden, nicht aber selbst aktiv werden. Außerdem wollen die USA den Waffenfluß an die Narco-Profis unterbinden sowie den Export von chemischen Grundstoffen zur Kokainproduktion einschränken. Und last but not least wollen die USA die Nachfrage nach Kokain und anderen Drogen senken - wie, da wird schon keiner der Lateinamerika-Präsidenten so genau nachfragen.
Natürlich wird, wenn die Kameras ausgeschaltet sein werden, während der sechsstündigen Debatte auch Zeit für Streitereien bleiben. Präsident Barco wird die USA vor eigenmächtigen militärischen „Hilfsaktionen“ wie der abgebrochenen Seeblockade Kolumbiens warnen. Bushs Plan, US -Kriegsschiffe zwecks einer Radar-Verkehrsüberwachung vor der kolumbianischen Küste einzusetzen, ist nach massivem Protest aus Bogota Anfang des Jahres nur aufgeschoben worden. Barco wird es nun schwer haben, sich der entschiedenen Absicht der USA zu dieser „Hilfeleistung“ zu erwehren. Perus Präsident Alan Garcia, der seine Teilnahme am Gipfel von einem garantierten Abzug der US-Truppen aus Panama abhängig gemacht hatte, wird trotz des zwei Tage vor dem Gipfel erfolgten Truppenabzugs noch einmal seinen Unmut über die US-Invasion ausdrücken. Seine Kritik an der US -Installation einer panamaischen Marionettenregierung wird auch nicht unerwähnt lassen, daß sich immer noch die 13.000 US-Soldaten in Panama befinden, die dort bereits vor der Invasion stationiert waren.
Und Boliviens Jaime Paz Zamora wird gleich auf wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen zur Ersetzung des Anbaus drängen. Und dann, um die etwas aufgebrachten Herren zu beruhigen, wird George Bush sein Portemonnaie zücken, um den Andenländern für 1991 ein Taschengeld von 250 Millionen Dollar hinzulegen. Was gerade einmal zum Ausreißen einer Handvoll Kokapflanzen reichen dürfte.
Vielleicht werden die Präsidenten George Bush angesichts dieses mickrigen Hilfsprogramms darauf hinweisen, daß
-nach einer Schätzung des US-amerikanischen Panos -Instituts in den drei mittelamerikanischen Ländern 1,5 Millionen Menschen von der Koka-Ökonomie leben
-der Kokaexport mit einer Milliarde Dollar im Jahr ein Drittel aller Export-Einnahmen Perus ausmacht
-allein die Sabotage des Abkommens über die Kaffeepreise durch die USA Kolumbien jährlich 500 Millionen Dollar kostet
-Bolivien und Kolumbien den USA 1988 mehr Zinsen für ihre Schulden zahlten, als sie von den USA an Finanzhilfen für den Drogenkrieg erhielten
-die USA es sich leisten können, in El Salvador täglich 1,5 Millionen Dollar für die Unterstützung einer mordenden Militärmaschine auszugeben. Aber genau in diesem Moment wird George Bush vermutlich gehen müssen. Noch ein kurzes Gruppenfoto, und der selbsternannte Leiter der Hemisphäre wird an Bord der „Air Force One“ wieder nach Hause düsen; wo er sich dann am Donnerstag in den Abendnachrichten noch gerade als überzeugender Drogenkrieger selbst bewundern kann.
Juan Tokatlian meint denn auch: „Wir befinden uns in einer Offensive gegen das Kokain, aber was den Drogenhandel anbelangt, existieren überhaupt keine Lösungen: In Miami kostet das Kilo Kokain genauso wie vor dem Drogenkrieg 11.000 Dollar, und der Preis der Crack-Tablette ist sogar von 8 auf 5,50 Dollar gefallen. Es mag sein, daß Bush diesen Krieg gegen die Drogen auf den Titelseiten der Zeitungen und in den Meinungsumfragen gewinnen wird. Auf den Straßen aber, in den USA wie in Kolumbien, ist der Krieg verloren.“ Rolf Paasch, Washington
Ciro Krauthausen, Cartagen
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