Alliierte begleiten Deutsche zur Einheit

„Siegermächte“ vereinbarten in Ottawa umgehende Aufnahme von Gesprächen unter Beteiligung beider deutschen Staaten über „äußere Aspekte“ der deutschen Vereinigung / KSZE-Gipfel noch in diesem Jahr / Thatcher nun auch nicht mehr gegen ein Gesamtdeutschland  ■  Aus Ottawa Andreas Zumach

Die Außenminister der vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges, USA, UDSSR, Großbritannien, Frankreich, sowie der beiden deutschen Staaten vereinbarten am Dienstag am Rande der „Open-skies„-Konferenz in Ottawa die umgehende Aufnahme förmlicher „Besprechungen“ über die „äußeren Aspekte der Herstellung der deutschen Einheit einschließlich der Fragen der Sicherheit der Nachbarstaaten“. Die 23 Außenminister der Nato- und Warschauer-Pakt-Staaten einigten sich zugleich „grundsätzlich“ auf ein KSZE-Gipfeltreffen in diesem Jahr. „Gespräche auf Beamtenebene“ zur Vorbereitung der Treffen der sechs Außenminister sollen „in Kürze aufgenommen“ werden, nach Auffassung von Außenminister Genscher noch vor den DDR-Wahlen.

Mit den „äußeren Apekten“ sind alle Fragen gemeint, die nicht - wie etwa Rentensystem, Verkehrswege, Währung oder Gesundheitswesen - in die ausschließliche Verantwortung der beiden deutschen Staaten fallen. Ein Liste „äußerer Aspekte“ wurde nicht vereinbart. Mit Sicherheit fällt darunter die Frage der Bündniszugehörigkeit Gesamtdeutschlands, über die es in Ottawa Gegensätze zwischen Nato-Staaten und der Sowjetunion gab. Auseinandersetzungen darüber, ob auch Status und Größe einer gesamtdeutschen Armee zu den „äußeren Aspekten“ gehört, sind absehbar. Form und Zeitpunkt des Abschlusses der „Besprechungen“, sind nicht festgelegt.

Bonn hatte bislang ein KSZE-Gipfeltreffen im November anvisiert, auf dem das Ergebnis der Sechser-Gespräche den anderen 29 KSZE-Staaten zur wohlwollenden Kenntnisnahme unterbreitet werden sollte. Der Beschluß der 23 Außenminister zur Abhaltung eines KSZE-Gipfels in diesem Jahr erwähnt zwar die Unterzeichnung eines ersten Wiener Abrüstungsvertrages als möglichen Tagesordnungspunkt, geht jedoch auf die deutsche Frage mit keinem Wort ein. Außenminister Genscher zeigte sich in Ottawa jedoch optimistisch, daß der von Bonn vorgesehene Zeitrahmen realistisch ist. Er äußerte sich überzeugt, daß eine zweite Wiener Verhandlungsrunde, in der die Bundeswehr zur Diskussion stehe, „ohne Pause“ nach Unterzeichnung von Wien1 beginnen werde.

Auf dem Rückflug von Ottawa machte Genscher gestern Station in London. Die britische Premierministerin Thatcher äußerte dabei, daß sie nun die Notwendigkeit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten anerkenne und sie „voll unterstütze“. Frankreichs Premier Mitterrand, der am Donnerstag Kohl empfängt, betonte gestern, daß sein „Ja“ zur Vereinigung von keinen Vorbedingungen abhänge. Das sei in erster Linie Sache der Deutschen. Tagesthema Seite 3

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