WDR als Steigbügelhalter für Tele 5?

■ Dem Dortmunder Lokalfernsehen droht das Aus / Privatsender Tele 5 spekuliert auf freiwerdende Frequenz Die Ablehnungsfront aus Gewerkschaften, Kirche, Journalistenvereinigungen und der SPD-Fraktion wächst

Sehr geehrter Herr Nowottny,

es geht um unser Dortmunder Lokalfernsehen. Warum soll das aufhören, wo es so vielen alten Leuten Freude bereitet? Es kann ein noch so schöner Film dran sein - kommen die Dortmunder Lokalnachrichten, dann wird der Film abgedreht... So lange ich noch zu leben habe, habe ich nur einen Wunsch: meine Dortmunder Lokal-Nachrichten zu sehen bis an mein Lebensende.“ Der verzweifelte Aufruf der 83jährigen Phyllis Moog ist der wohl rührendste Beitrag zur Kampagne um das Dortmunder Lokalfernsehen.

Der WDWR will, so sieht es jedenfalls eine Entscheidung der Geschäftsleitung vor, seine lokale Fernsehfrequenz in Dortmund spätestens zum Ende des Jahres aufgeben. Das würde gleichgzeitig das Aus für das WDR-Lokalfernsehen Dortmund bedeuten. Begründet wird dieser Beschluß mit den jährlichen Kosten von zehn Millionen Mark.

Wie ein medienpolitischer Treppenwitz mutet es an, daß der Rückzug des WDR, dem kleinsten Privatsender der Republik, das Feld bereiten würde. Ernsthaftester Aspirant auf die dann freiwerdende Frequenz ist nämlich der Münchener Private Tele 5. Was dem WDR zu teuer ist, damit will Tele 5 Geld verdienen. In der letzten Woche war Tele 5-Geschäftsführer Walter Fischer bereits in Dortmund, um das Terrain zu sondieren. Dabei ließ er aber kaum Zweifel daran aufkommen, daß ihn die Frequenz sehr, der Betrieb eines Lokalfernsehen aber weniger interessiere. „Mir wäre es lieber, wenn ich es nicht machen müßte.“ Das eine, die Frequenz, auf der 750.000 Haushalte auch über die Antenne zu erreichen sind, wird aber wohl nicht ohne das andere, eine tägliche lokale Magazinsendung, zu haben sein. Sein Konzept eines lokalen Programms wäre aber sicherlich nur eine Diät-Version des bestehenden Öffentlich-Rechtlichen. Wo bisher 60 MitarbeiterInnen fest angestellt sind, will sich Fischer mit acht Redakteuren sowie angemieteten Kamerateams und Technikern behelfen.

Noch ist das Aus für das Dortmunder Lokalfernsehen aber keine beschlossene Sache. Entscheidend ist das Votum der „Findungskommission Lokalfernsehen“, die dem Rundfunkrat ihren Vorschlag unterbreiten muß. Und schon einmal wurde dort der Fortbestand des Lokalfernsehens gegen den Willen der Intendanz beschlossen. Bereits 1987 sollte mit dem Ende des Kabelpilotprojektes in Dortmund das Lokalfernsehen abgeschaltet werden. Der Rundfunkrat beschloß aber eine Fortführung bis zunächst Ende 1990.

Jetzt soll massiver politischer Druck für den Bestand eines öffentlich-rechtlichen Lokalprogramms sorgen. Die Ablehnungsfront umfaßt Stadtverwaltung, SPD -Mehrheitsfraktion im Stadtrat, Gewerkschaften, Journalistenorganisationen und Kirchen. Einem Initiativkreis haben sich mehrere Verbände, Vereine und Prominente angeschlossen. Überall in der Stadt liegen Unterschriftenlisten aus. Höhepunkt der Aktionen soll am 8. März eine große Abschlußdemonstration auf dem Rathausplatz sein auf der, so hoffen die Organisatoren, auch Johannes Rau sprechen wird.

Auch wenn hinter solchen Bemühungen sicherlich viele lokale Eitelkeiten verborgen sind, wirft die starke Akzeptanz des Dortmunder Lokalfernsehens doch einige Fragen auf. Die Bemerkung des SPD-Medienexperten Jürgen Büssow, der die „Findungskommission Lokalfernsehen“ leitet, daß alle Gebührenzahler eine WDR-Leistung finanzierten, die nur den Dortmunder Zuschauern zugute käme, könnte man schließlich umkehren. Warum nicht noch mehr lokale Fernsehstationen, wenn sie so beliebt sind?

Beim Blick ins Portemonnaie relativieren sich auch die Kosten schnell. Das Lokalfernsehen in Dortmund ist das billigste Programm im ganzen WDR. Bei den externen Kosten etwa ergibt sich ein Preis von 187 DM pro Sendeminute, das preiswerteste Landesstudio liegt mit 545 Mark fast dreimal so hoch.

Die MitarbeiterInnen im Funkhaus an der Lindemannstraße fühlen sich ohnehin als Opfer einer Teile-und-herrsche -Strategie ihrer Geschäftsleistung. In Köln seien viele Abteilungen böse auf die Dortmunder, weil man ihnen Gelder mit dem Verweis verweigerte: Das müssen wir eben für Dortmund ausgeben. So würden sie im Jahr für Einsparungen von gut 100 Millionen Mark verantwortlich gemacht. Kein Wunder also, daß in Köln bislang niemand die Flagge der Solidarität gehißt hat.

Der Qualität des Programms bescheinigte auch die „Findungskommission Lokalfernsehen“ einen durchaus WDR -würdigen Standard. Bei einer Besichtigung im Spätherbst waren sie von der beispielhaften Aktualität und Frische der 45-Minuten-Sendung beeindruckt. Ja, die nach einer eventuellen Schließung umzusetzenden MitarbeiterInnen wären für zahlreiche Redaktionen des Hauses durchaus eine Bereicherung.

Christoph Biermann