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Überhaupt: Kultur!

■ Treffen der Schaffenden der DDR

Das zweite Treffen der Kulturschaffenden der DDR (am 15.2. in der Humboldt-Universität Ost-Berlin), einberufen von der Kultur-Initiative 89, warf ein trübes Licht auf den Organisationsgrad und das Selbstbewußtsein der Betroffenen. Der gegenseitigen Information, Unterstützung und der Gesamtkoordinierung sollte dieser Abend dienen, bei dem (vor etwa 300 Anwesenden) Kulturbeauftragte der Parteien, freie Schriftsteller, Initiatoren neuer Kulturprojekte (wie „Förderband“) und Verbandsvorsitzende staatlicher Organisationen zu Worte kamen. Berichtet wurde von drohenden Schließungen von Kinos und Kulturhäusern, von Vertragskündigungen gegenüber Schriftstellern und von den Bemühungen alternativer Gruppen, zwischen „Gründungsversammlung“, „Nutzungskonzeption“ und „Rechtsträgerfrage“ etwas Lebendiges entstehen zu lassen. Die Unterschiedslosigkeit, mit der die einzelnen Beiträge zur Kenntnis genommen wurden, spiegelte zwei Bedingungen dieses Treffens (und der Situation der Kulturschaffenden) deutlich wider: zum einen die offensichtliche Furcht, von einem wild agierenden, rücksichtlos durchkapitalisierten Kulturbetrieb der BRD in kürzester Zeit vereinnahmt (also im Einzelfall: entlassen, entmündigt, überschrieen) zu werden; zum anderen ein tiefsitzendes Unbehagen am eigenen Kulturbegriff, das mit allgemeinen Hochrufen auf die Kultur der DDR eher offenbart als verborgen wurde.

Natürlich ruft die als unsicher empfundene Rechtslage bezüglich dessen, was vordem als Volkseigentum galt (die Gebäude, Einrichtungen und Grundstücke zum Beispiel der Theater und Kinos) bei allen, die in solchen Einrichtungen arbeiten, eine tiefe Irritation, wenn nicht gar Panik hervor. Bezeichnenderweise sah sich keiner der anwesenden Politiker (Abgesandte der SPD, der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands, der Liberaldemokratischen Partei) in der Lage, auf diese Fragen eine verläßliche Antwort zu geben. So werden also weiterhin Anträge auf Nutzung bestimmter Gebäude gestellt, Anfragen an den Runden Tisch gerichtet, Häuser besetzt, ohne daß diejenigen, die sich jetzt für die Initiierung einer neuen Kultur einsetzen, die geringste Gewähr haben, daß ihre Arbeit sinnvoll fortgesetzt werden kann. Die Beiträge der Politiker beschränkten sich auf emphatische Bekenntnisse zur Kultur an sich und überhaupt in eben jener Wahlkampfqualität auf Provinzebene, wie sie sich hierzulande bei entsprechenden Anlässen bereits eingebürgert hat. Ebenso offensichtlich war, daß die Kenntnis des Kulturbetriebs der BRD noch unzulänglicher ist als umgekehrt, so daß zwei Redner nacheinander behaupten konnten, der Deutsche Börsenverein warte „eiskalt die Übernahme zu günstigen Bedingungen“ ab beziehungsweise eine Kooperation westdeutscher mit ostdeutschen Verlagen „werde fair verlaufen“, ohne daß jemand auf diesen Widerspruch rekurrierte.

Sind diese Unsicherheiten und Widersprüche vor allem der verworrenen Situation selbst zu schulden, so kann der schwammige Kulturbegriff nur von den Beteiligten selbst trockengelegt werden. Die Freigabe des Begriffs als Sammelbecken für das Gute, Wahre, Schöne, die neue wie alte Identität der DDR, Tradition und Fortschritt, Widerspruch und Aufhebung etc. etc. und seine unterschiedslose Verwendung für alles, was das Leben lebenswert macht, ist Ausdruck der nicht vollzogenen Reflexion darauf, welche Kultur tatsächlich DDR-spezifisch war oder ist und wie sie neu definiert, fortgesetzt und erweitert werden müßte. Vorwürfe gegen Klaus Höpke (der sich so beruhigend zur Zukunft der Literatur äußerte), er habe die Literatur in früheren Zeiten nicht so betreut, daß man ihm jetzt vertrauen wolle, wurden seinerseits mit der Bemerkung quittiert, er habe beschlossen, sich Anwürfen dieser Art grundsätzlich nicht mehr zu stellen. Auch dies wurde unwidersprochen hingenommen in dem offensichtlichen Bedürfnis, gerade jetzt (kurz vor der drohenden Übernahme) keinen Solidaritätsverlust verzeichnen zu müssen, indem zwischen Opfern, Tätern und Nutznießern der Vergangenheit allzu fein unterschieden würde. Die Eingabe des (Kultur -)Schutzverbundes an die Volkskammer, vorgetragen von Karl -Heinz Schäfer, wurde als pragmatische und konkrete Maßnahme mit einhelligem Beifall begrüßt: Es gelte, die Teilhabe an der Kultur und ihren Schaffensbedingungen für alle BürgerInnen der DDR zu sichern, bevor - nach den Wahlen die Aufgaben und Pflichten des Staates neu definiert werden könnten. Um was für eine Art von Kultur es hier gehen, auf welchen Ebenen sie initiiert, verwaltet und finanziert werden solle, blieb allerdings im dunkeln - und dies war wohl im Sinne der meisten Beteiligten.

Elke Schmitter

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