Bajuwarisches Kabarett „Hart an der Scherzgrenze“

■ Günter Grünwald

Ach, Sie sind evangelisch? Ja, das sieht man gleich. Sie sehen so bleich aus, so blutleer und so ernst. Nur gewesen? Das ändert gar nichts, so einfach läßt sich das nicht abschütteln. Das Jammertal und die Sinnesfeindschaft, das steckt noch in Ihren Knochen, das kriegen hier im Norden schon die Kühe mit dem Antibiotikum verpaßt. Nee, evangelisch, das ist eine Lebensaufgabe, da wird sich nicht einfach von verabschiedet und die Kirchensteuer gespart. Und hier in Bremen, wo die Pfeffersäcke sitzen und leiden, da ist das Evangelische nicht nur eine Landplage.

All das wäre nicht weiter auffällig, wenn es nicht zum Ausgleich die Katthos gäbe. Die glauben noch an den Teufel und an seine Verlockungen, verbrennen deshalb die Frauen und schimpfen sie Hexe oder Hure oder Madonna, die verehren heimlich in der Kirche die Rubens'sche Version von Sinnlichkeit und schütten sich in ihren archaischen Riten ganz prima Wein (den die Evangelen aus Vernunftgründen lieber bei Aldi kaufen) hinter die Binde. Kurz: die Katholen verstehen was vom Leben, sie bieten auch dem werdenden reichlich Reibungsfläche, Gelegenheit für neurotische oder schwerere Ängste, für kräftige Emotionen und lebenslang treibende Obsessionen.

Aus gutem Grund sind also Kabarettisten häufig katholisch. Getauft, gewesen, aufgewachsen. Aus dem selben Grund kommen sie häufig aus Bayern, wo die Reformation und ihre wüsten Folgen bis heute relativ wenig Spuren hinterlassen haben. Mit brachialer Wut und/oder feinsinnigem Zynismus, mit der fruchtigen Bosheit und der skrupellosen Komik, zu der scheinbar nur noch diese kernigen Natur-Burschen und -Maiden imstande sind, wettern sie gegen die Welt, wie sie ist, und diese Menschen. Günter Grünwald ist einer dieser Kabarettisten, bairisch, deftig und lebensnah. Mit dem Seziermesser seines hinterhältigen Zynismus zerlegt er Alltäglichkeiten, zerlegt die Sicherheiten der verschiedenen Menschen-Typen in den verschiedenen Szenen, präpariert den Nerv heraus, der so nah unter der Oberfläche verborgen liegt. So leicht kippen sie, diese Figuren, sind in ihrer Selbstgefälligkeit so schön heimlich ungefällig und kurz vor dem Zusammenbruch. Und schließlich steckt in jedem Spießer ein kleiner Adolf.

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Mi., Fr., Sa., 20.30 Uhr, Theater im Schnoor, Orchesterboden