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■ Die taz - Berlins Überregionale - jetzt auch für die DDR * Ab 26. Februar: die tageszeitung von Kap Arkona bis Sonneberg / Der "Anbau-Verlag" residiert im Seitenflügel des ehemaligen ZK-Gebäudes

Wer hätte das gedacht: Die taz wird in der Druckerei des 'Neuen Deutschlands‘ gedruckt. Über ein Jahrzehnt lang war es der taz nicht einmal vergönnt, einen Korrespondenten im SED-Staat zu akkreditieren. Wir wurden von allen West -Zeitungen am kürzesten gehalten. Nicht zu unrecht fürchteten die damals Mächtigen wohl, daß mit der taz der Bazillus der unbotmäßigen DDR-Bewegungen noch mehr um sich greifen würde. Aber die Zeiten haben sich ja drastisch geändert.

Am Rosenmontag erscheint die Nummer 1 der DDR-Ausgabe der taz - und ab da an jedem Werktag, denn bei unseren KollegInnen in Ost-Berlin ist am Aschermittwoch eben nicht alles vorbei. Das Blatt wird in einem Umfang von 16 Seiten mit einer Startauflage von 60.000 an allen Zeitungsverkaufsstellen zwischen Kap Arkona und Sonneberg für 80 Pfennig erhältlich sein. Ab sofort kann es für einen monatlichen Bezugspreis von 20 DDR-Mark an allen Postämtern abonniert werden. Die Belieferung der Abonnements beginnt am 2.April. Herausgegeben wird die DDR-Ausgabe der taz von einem DDR-Verlag, der von den beiden Schriftstellern Klaus Schlesinger und Martin Stade gegründet wurde. Sobald in der DDR die juristischen Voraussetzungen gegeben sind, soll der Verlag nach dem Modell der taz als Mitarbeiterbetrieb gestaltet werden. In der ersten Aufbauphase haben Jürgen Kuttner als Geschäftsführer der Anbau-Verlag Die Tageszeitungsgesellschaft mbH und Andre Meier als erster fester Redakteur die Dinge in die Hände genommen. Die DDR -taz wird keine bloße Kopie der West-taz sein. Dafür sorgt eine eigenständige Redaktion, die ungefähr ein Viertel der Zeitung aus eigenen Beiträgen erstellt und für den Rest aus dem Fundus der taz schöpft. Jeder einzelne Artikel wird ausgewählt und, wenn nötig, redigiert und aktualisiert. Die Redaktion sitzt in einem Seitenflügel des ZK-Gebäudes der alten Einheitspartei in der Oberwasserstraße 12. In den Räumen residierte einmal die internationale Abteilung. Berührungsängste mit der den Konkurs abwickelnden Partei gibt es nicht, wären auch nicht angebracht, denn wo sonst gäbe es so schnell geeignete Räume, die auch noch über die wichtigste Ausstattung für eine Redaktion verfügen: funktionierende Telefone. Hier werden bald 25 Menschen in Redaktion, Technik und Verlag arbeiten. Taz-MitarbeiterInnen aus der Kochstraße leisten Hilfestellung, vor allem bei der Einarbeitung der neuen KollegInnen in die moderne Redaktionstechnik. Die neuen taz -JournalistInnen sind in der DDR keine Unbekannten, haben bisher für andere Zeitungen ('Sonntag‘, 'Junge Welt‘, 'BZ‘, 'Tribüne‘) geschrieben - und gelegentlich auch für die taz. Die taz ist die erste neue Tageszeitung in der DDR. Die vielen Gespräche zur Vorbereitung dieses Projekts haben gezeigt, daß wir hier in weiten Kreisen einen sehr guten Ruf haben, gerade bei denen, die heute im Scheinwerferlicht der westlichen Fernsehanstalten stehen, aber jahrelang nur in einem einzigen Medium zu Worte kamen: bei uns. Mit der DDR -Ausgabe der taz schlagen wir auch ein neues Kapitel in unserer Geschichte auf: Wir stellen uns ein auf den gesamtdeutschen Zeitungsmarkt. Die großen bundesdeutschen Medienkonzerne haben schon gezeigt, wie sie sich vorstellen, das bißchen DDR unter ihre Fittiche zu bekommen, ein Vertriebskartell von Nord bis Süd. Die taz wird das (allein) nicht verhindern können. Sie kann nur ein Signal setzen: die kurze Stunde der Pressefreiheit in der DDR zwischen dem Monopol der SED und dem von Springer muß genutzt werden.Karl Heinz Ruch