Alles vorbei für Fritz Walters Enkel?

■ Waldhof Mannheim bringt die Nachbarn vom Betzenberg durch ein schnelles 4:0 in verschärfte Abstiegsnöte, und drei Stunden später war auch noch Trainer Roggensack entlassen: Chaos total in der Pfalz

Mannheim (taz) - Seit 1983 gibt es im Südwesten eine Bundesligabegegnung (?), die Emotionen hochpeitscht und für ausverkaufte Stadien sorgt: das Duell zwischen den Pfälzern des 1. FC Kaiserslautern und den Kurpfälzern des SV Waldhof. Noch nie jedoch trafen sich die beiden in einer solch schicksalhaften Situation.

Kaiserslautern, krisengeschüttelt und nach 5:1 Punkten zu Beginn der Runde bis ans Tabellenende abgerutscht, statt „Kampf um die Teilnahme am UEFA-Cup“ (Rainer Geye im Sommer 1989) verkrampfte Bemühungen (?) gegen den drohenden Abstieg aus der Klasse, der die müden Enkel von Fritz Walter seit deren Bestehen angehören. Wieder einmal winkt einem der einstmals ganz Großen die schon sprichwörtlich gewordene Reise ins Emsland.

Jedoch Namen sind Schall und Rauch, und vom (guten) Geist der Lauterer, die in den 50er Jahren zweimal Deutscher Meister und dann auch - faktisch - Weltmeister wurden, ist der Betzenberg längst verlassen. In der Woche vor dem Südwestderby im proppevollen Waldhofstadion trat mit dem Ex -Profi Gerd Bold auch noch ein als Minderheit gescheitertes Mitglied des amtierenden Chaos-Präsidiums zurück. Konfusion total in der Pfalz.

Ganz anders präsentiert sich der SV Waldhof. Trainer Günter Sebert ist unumstritten, hat den Mannheimer Norden hinter sich und den UEFA-Cup vor Augen - nur ein Jahr nach dem verblüffenden Waldhofer Rettungsszenario. Sollte der europäische Wettbewerb erreicht werden, müßten die Blau -Schwarzen wieder den Gang ins Ludwigshafener Exil, auf die „Lauterer Rheinseite“ wagen, denn - einzige Sorge - Mannheim hat weder Flutlicht noch ein adäquates Stadion.

In Kaiserslautern könnte dagegen eines der schönsten und an Atmosphäre reichsten Stadien der Liga demnächst leerstehen. Dann nämlich, wenn die hilflosen Statisten um den einzig bundesligatauglichen Spieler an diesem Tag, Stefan Kuntz, ihr derzeitiges Niveau konservieren.

Im Waldhof ging es Schlag auf Schlag. Die Spieler des FCK konnte nur reagieren, doch auch hierzu waren sie kaum im Stande. Die Noteinkäufe Hotic, Goldbaek und Schachow inklusive. Ganz anders der SVW: Innerhalb von 17 Minuten war das Derby entschieden, sehr zum Leidwesen vieler, die sich an prickelnd knisternde Spannung bei früheren Gelegenheiten erinnerten. 16. Minute: Uwe Freiler schließt einen Alleingang zum 1:0 ab. 20 Minute: Thomas Franck nimmt aus 12 Metern den Ball volley. 31. Minute, Jochen Müllers 3:0. 33. Minute: Die Kopie des 1:0, Cvetkovic geht alleine, flankt zu Franck, 4:0.

Die Lauterer Abwehr, zu Zeiten Hans-Werner Mosers (jetzt HSV) und des Wolfgang Wolf (Stuttgarter Kickers) ein kompakte Mauer mit gelegentlichen Qualitäten sogar im Aufbau nach vorn, war überhaupt nicht vorhanden. Ungestört prommenierten die Waldhöfer durch die teuflisch rote Hälfte. Und ganz ohne Angst vor den längst ihrem Fürchtenamen Schande machenden Ex-Diavolos.

Die müssen jetzt in Klausur gehen, sich „selbstkritisch hinterfragen“, wie es Stefan Kuntz nach dem Spiel forderte, damit am 12.Mai nach dem (letzten?) Match gegen den 1. FC Nürnberg nicht ein alter Country-Song für Mannschaft und Verein erklingt: „Alles vorbei, Tom Dooley.“ Der Tom Dooley des FCK traf als einziger Lauterer das Tor, aber - Pech nur das Lattenkreuz. Das war sechs Minuten vor Schluß.

Alles vorbei ist seit Samstagabend für Trainer Gerd Roggensack. Er wird „mit sofortiger Wirkung“ entlassen, nachdem Präsident Thines das Thema in der Pressekonferenz noch feige umschifft hatte. Ob der FCK nach dem Rausschmiß des einzigen Genius, Wolfram Wuttke, gut beraten war, jetzt den Trainer folgen zu lassen? Ein Abstieg der Lauterer, möglicherweise noch zusammen mit dem Nachbarn Homburg, ließe in der ohnehin strukturschwachen (ab)rüstungsgeplagten Westpfalz ein traditionsreiches Identifikationsobjekt ins Nichts entschwinden und die wenigen noch schwach brennenden Lichter ausgehn.

Günter Rohrbacher-List

MANNHEIM: Zimmermann - Cvetkovic - Müller, Dickgießer Buric, Dais (36. Lux), Frank, Güttler, Schindler - Bührer (73. Wörns), Freiler

KAISERSLAUTERN: Serr - Emig - Stumpf, Dooley - Roos, Goldbaeck (65. Stadler), Foda, Hotic, Hoos - Labbadia, Kuntz (63. Schachow)