piwik no script img

Bei linken Chaoten in Dresden

Der 'Jungen Welt'-Ente nachgeschwommen / Kein Hausverbot für die Vereinigten Linken / Stimmung getrübt  ■  Aus Dresden Olaf Kampmann

„Übrigens“ so vermeldete kürzlich die Zeitung 'Junge Welt‘, „wurde die Vereinigte Linke in Dresden vor die Tür gesetzt.“ Besonders konservative Oppositionskreise unterstellten ihnen, sie würden Gewalt an sich binden, Unterschlupf für Terroristen und Extremisten bieten. Dabei handelte es sich nicht um irgendeine beliebige Pforte. - Es war die Tür des Hauses der Demokratie.

Die Nachricht alarmierte. Schließlich würde eine solch demonstrative Ausgrenzung einer zugelassenen Vereinigung einen kaum wieder gutzumachenden Präzendenzfall schaffen! Andererseits - ist die Vereinigte Linke nicht auch ein Zusammenschluß von sogenannten Autonomen und Antifa-Gruppen? Autonome - da hat man doch schon mal was von gehört; sind das nicht die linken Chaoten aus dem Westen? Die Terror -Sympathisanten, die wilden Hausbesetzer aus der Hafenstraße und aus Kreuzberg? Das beste ist, man betrachtet sich die Sache mal aus der Nähe.

In Dresden angekommen widerfährt dem Besucher gleich die erste Verunsicherung: Es gibt gar kein „Haus der Demokratie“, die oppositionellen Parteien und Vereinigungen sind an vier verschiedenen Punkten der Stadt untergebracht.

Im Parteienhaus in der Kreuzgasse zuckt man bedauernd mit den Schultern. „Vereinigte Linke? Gibts hier nicht.“ Und weder die Leute vom Neuen Forum noch die von der SPD noch der PDS können Auskunft geben, wo sich deren Büro befindet. „Bei uns Gott sei Dank nicht!“ lautet die einhellige Antwort. Ähnlich die Reaktion im Gebäude der ehemaligen Parteischule in der Maternisstraße.

Dann aber der ersehnte heiße Tip: Die sitzen am Karl-Marx -Platz! Etwas müde empfängt mich Gregor Kunz in seinem Büro. „Ach, hör bloß auf“, winkt er ab, „das in der 'Jungen Welt‘ war eine Ente. Klar, wir hatten unsere Probleme mit den Räumlichkeiten; richtig ist auch, daß es immer mal wieder Versuche gegeben hat, uns hier und da auszugrenzen besonders seit unseren Aktionen beim Kohl-Besuch in Dresden. Aber bei der Stimmung in der Stadt ist das kein Wunder.“

„Aber das wird doch nicht der einzige Grund sein“, werfe ich vorsichtig ein, „gibt es bei euch nicht auch Punks und Autonome und solche Leute?“ Gregor, im Che-Guevara-Look, zupft sich lächelnd an seinem Bart. „Kannst ja nachher mal mitkommen , wir haben heute abend Vollversammlung in der TU.“

Das Auto, das uns abholen soll, kommt nicht, und so erreichen wir den Versammlungsort erst eine halbe Stunde nach Beginn der Veranstaltung. Gerade hat ein Vertreter der Nelken (die in Dresden mit der Vereinigten Linken (VL) assoziiert sind) die Positionen seiner Partei erläutert und man kommt zum nächsten Programmpunkt: Soll man mit Leuten, die anarchistische Positionen vertreten, zusammenarbeiten oder nicht? Leider konnte man sich aber nicht einmal darauf verständigen, was man sich unter Anarchismus eigentlich vorstellen soll. Dann werden die Kandidaten für die Landeskonferenz in Berlin vorgestellt. All das geschieht ruhig, ja fast schon ein wenig schüchtern und unbeholfen und so gar nicht „autonom“. Unsichre Bitte an die Mädchen im Saal, doch auch zu kandidieren, die Quotenregelung . Umsonst. Die überwiegend männlichen Vertreter erhalten ihre Kandidatenkarten und begeben sich zurück auf ihre Plätze. Leiser Einwand aus dem Auditorium: Müsse man über die Kandidaten nicht auch abstimmen, schließlich sei man doch basisdemokratisch... Die Abstimmung erfolgt, keine Gegenstimme bei zwei Enthaltungen. Und so verläuft der ganze Abend.

Am Schluß kommt Gregor lächelnd auf mich zu. „Na, enttäuscht?“ Ein bißchen schon. Er überreicht mir ein Positionspapier der VL. „Könntet ihr das vielleicht mal abdrucken? Die Presse bei uns, weißt du, das ist so ein Kapitel für sich. Und wenn sie schon mal was von uns bringen, ist es zumeist um Längen gekürzt. Und überhaupt für die meisten sind wir sowieso bloß Anarchos und Chaoten.“ Ach ja, denke ich bei mir, wie geruhsam kann doch Chaos sein.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen