: Kartoffeln machen stark
■ Ungeahnte bundesdeutsche Erfolge bei den Hallen-Europameisterschaften der Leichtathletik
Glasgow (dpa/taz) - Eine völlig neuartige und raffinierte Form des Dopings hat die Sprinterin Ulrike Sarvari bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Glasgow entdeckt. Als ihr nach ihrem Sieg über 60 Meter am Samstag und den Vor -und Zwischenläufen über 200 Meter am Sonntag „schwarz vor Augen“ war, verspeiste sie einfach eine halbe Kartoffel. Prompt gewann sie den Endlauf in 22,96 Sekunden vor Natalja Kowtun (UdSSR).
Mit 25 Jahren fühlt sich Ulrike Sarvari, die bei den letzten Großereignissen im Freien - Europameisterschaft in Stuttgart 1986, Weltmeisterschaft in Rom 1987, Olympische Spiele in Seoul 1988 - den Endlauf immer knapp verpaßt hatte, was sie „doof“ fand „im besten Sprintalter“, und peilt noch große Ziele an. Durch die verschärften Doping -Kontrollen rechnet sich die 162 Zentimeter große Sprinterin gesteigerte Chancen aus, zudem habe sie in Glasgow endgültig „die Angst vor großen Namen“ verloren.
Überhaupt herrschte nach den Wettkämpfen von Glasgow eitel Freude im bundesdeutschen Lager. 24 Endkampfplätze, sechs Siege (2x Sarvari, Dietmar Haaf im Weitsprung, Norbert Dobeleit überraschend über 400 Meter, Claudia Losch im Kugelstoßen und Heike Henkel im Hochsprung) sowie vier weitere Medaillen brachten den zweiten Platz in der Nationenwertung hinter der Sowjetunion, das beste Ergebnis für die BRD in der 21jährigen Geschichte der Hallen -Europameisterschaften. „Im ganzen Team ist eine tolle Stimmung, herrscht Leistungsbereitschaft“, beobachtete Ulrike Sarvari, und Sportwart Manfred Steinbach war vor allem von Dobeleit beeindruckt: „Es wäre schon gut gewesen, hätte er in dem hochkarätigen Feld nur einen geschlagen.“
Alle verdiente Euphorie kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß in Glasgow ein erheblicher Teil der europäischen Elite nicht am Start war, was auch Steinbach zu denken gibt: „Vielleicht war das nur eine Schaumkrone.“ Klarheit über die Substanz des Erfolges wird erst der Sommer mit seinem Höhepunkt, den Europameisterschaften in Split Ende August, bringen. Bleibt nur zu hoffen, daß bis dahin der Internationale Leichtathletikverband Kartoffeln noch nicht auf die Liste der verbotenen Mittel gesetzt hat.
Matti
Männer: Dreisprung: 1. Igor Lapschin (UdSSR) 17,14 m, 5.000 m Bahngehen: 1. Michail Schennikow (UdSSR) 19:00,62 Min, 400 m: 1. Norbert Dobeleit (Wattenscheid) 46,08 Sek.; 2. Jens Carlowitz (DDR) 46,09, 800 m: 1. Tom McKean (Großbritannien) 1:46,22 min, 1.500 m: 1. Jens-Peter Herold (DDR) 3:44,39 min, Stabhochsprung: 1. Rodion Gataulin (UdSSR) 5,80 m, 3.000 m: 1. Eric Dubus (Frankreich) 7:53,94 min, 60 m Hürden: 1. Igor Kasanow (UdSSR) 7,52 sek; 2. Tony Jarrett (Großbritannien) 7,58; 3. Florian Schwarthoff (Heppenheim) 7,61, Hochsprung: 1. Artur Partyka (Polen) 2,33 m; 2. Arturo Ortiz (Spanien) 2,30; 3. Gerd Nagel (Frankfurt) und Dietmar Mögenburg (Wattenscheid) je 2,30, 200 m: 1. Sandro Floris (Italien) 21,01 sek
Frauen: 1.500 m: 1. Doina Melinte (Rumänien) 4:09,73 Minuten, 200 m: 1. Ulrike Sarvari (Sindelfingen) 22,96 Sekunden, 800 m: 1. Ljubow Gurina (UdSSR) 2:01,63 Minuten'Sabine Zwiener (Stuttgart) 2:02,23, 400 m: 1. Marina Schmonina (UdSSR) 51,22 sek, 60 m Hürden: 1. Ludmilla Naroschilenko (UdSSR) 7,74 sek
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