Das Thema hat die AL-Frauen nicht interessiert

Die inner- und außerparlamentarische Frauenszene hat sich bisher kaum mit dem Streik der Erzieherinnen solidarisiert. Warum nicht? Lydia Hohenberger, frauenpolitische Sprecherin der Fraktion der Alternativen Liste, sucht nach Antworten  ■ I N T E R V I E W

taz: Seit acht Wochen findet hier ein Streik statt, wie sich ihn die Frauenbewegung eigentlich immer gewünscht hat. Doch die Frauensenatorin hat bisher eine eher klägliche Figur gemacht, die AL-Frauen haben sich kaum eingemischt, und die restliche Frauenszene verschläft dieses Politikum völlig. Wieso diese Ignoranz?

Lydia Hohenberger: Zum Jahreswechsel, als die Fronten im Streik verhärtet waren, fand ich gut, daß sich Anne Klein als Vermittlerin eher im Hintergrund gehalten hat, um die beiden Seiten an den Verhandlungstisch zu bringen. Aber spätestens ab Mitte Januar wäre es wichtig gewesen, den Dissens im Senat offen auszutragen und öffentlichen Druck zu machen.

Und die AL-Frauen theoretisieren zwar wunderschön über die Frauenunterdrückung im allgemeinen und im besonderen, haben sich aber in dieser konkreten Geschichte nicht eingeklinkt. Dann gibt es ja eine starke sogenannte Frauenprojektebewegung in dieser Stadt. Warum diese noch nicht geschlossen und deutlich ihre Solidarität bekundet hat, ist mir auch völlig schleierhaft. Vielleicht gibt es hier eine zu starke Trennung zwischen den intellektuellen und den „Projektefrauen“ auf der einen Seite und den arbeitenden, gewerkschaftlich organisierten Frauen auf der anderen. Das sind verschiedene Welten, zwischen denen ein solidarischer Brückenschlag vielleicht nicht möglich ist.

Warum haben die AL-Frauen den Streik nicht zu einem frauenpolitischen Streik gemacht?

Dafür gibt es verschiedene Ursachen. Zum einen hat sich der AL-Jugendhilfebereich, in dem auch sehr viel Frauen sitzen, um Weihnachten herum über diesem Arbeitskonflikt völlig zerstritten und aufgelöst. Damit war der Druck weg. Was den Frauenbereich betrifft, haben Helga Metzner vom Geschäftsführenden Ausschuß und ich das Thema frühzeitig in eine Frauenvollversammlung eingebracht, und dort wurde auch eine Resolution verabschiedet. Aber wir waren die einsamen Ruferinnen in der Wüste. Weiter hat das nicht interessiert.

Warum nicht?

Der Frauenbereich trifft sich alle zwei Wochen, auf der Tagesordnung stehen zig Punkte, und da fallen bestimmte Themen immer hinten runter. Daß aber ausgerechnet dieser unterging, hat mich persönlich sehr schockiert. Denn auch wenn nicht nur Frauen betroffen sind - eine Verbesserung der Arbeitssituation der Erzieherinnen trifft in zentralen Punkten Frauenforderungen: Höherbewertung der beschissen bezahlten weiblichen Erwerbsarbeit, bessere Kinderbetreuung und Entlastung vor allem der alleinerziehenden Mütter.

Die AL hat auf ihrer letzten Mitgliedervollversammlung gedroht, die Koalition platzen zu lassen, wenn es im KiTa -Streik zu keiner akzeptablen Lösung kommt. Nun hat die AL bereits manche Kröte geschluckt und klein beigegeben. Warum sollten ausgerechnet die streikenden Erzieherinnen das Maß voll machen?

Ich möchte statt der Koalitionsfrage lieber die Frauenfrage stellen. Erst will ich natürlich den Druck, den wir aufgrund unserer Regierungsbeteiligung machen können, voll ausschöpfen und dann erst überlegen, ob wir uns zurückziehen. Wir haben gesagt, daß Sozialpolitik endlich zum Essential rot-grüner Stadtpolitik werden muß. Dazu gehört, daß dieser Konflikt im Interesse der Erzieherinnen gelöst wird. Und was uns dann auch ins Haus steht, ist die Lage der Altenpflegerinnen und Krankenschwestern. Einem Frauensenat würde es gut anstehen, die Arbeitsbedingungen und Entlohnungen von Frauen ernsthaft unter die Lupe zu nehmen. Daran wird sich zeigen, ob Frauenpolitik nur eine wohlfeile Floskel eines Senats ist, der sich gerne mit seinem Feminat schmückt, aber weiterhin Frauenpolitik zum Nulltarif machen möchte.

Welche Signalwirkung hat dieser Streik über Berlin hinaus?

Ein Zusammenbruch des Streiks würde die Frauengewerkschaftsbewegung um Jahre zurückwerfen, und auch die rot-grüne Politik.

Interview: Ulrike Helwerth