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Grüne: von der Abspaltung zur Spaltung?

Der GAL-Konflikt weitet sich auf die Bundespartei aus - Realpolitische Parteisprecherin Hammerbacher will Änderung der Gesamtpartei; linkes Vorstandsmitglied Reents projektiert neue „linke, ökologische und radikaldemokratische“ Partei unter Einschluß der PDS  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Die Abspaltung von Teilen der Hamburger GAL-Fraktion und des Landesvorstands gerät immer mehr zum Spaltpilz in der Grünen Gesamtpartei. Die realpolisch orientierte Parteisprecherin Ruth Hammerbacher betonte, sie unterstütze das Ziel, den jetzigen GAL-Landesverband „abzulösen“. Der GAL-Konflikt werde auch für die Bundespartei „Klärung bringen“, sagte Ruth Hammerbacher knapp drei Wochen vor dem Parteitag der Grünen in Hagen.

Eine mit der GAL konkurrierende Neugründung der grünen Liste in Hamburg allein sei nicht ausreichend; hinzukommen müsse eine „Veränderung der Binnenstruktur“ der Gesamtpartei. Sprecherin Hammerbacher forderte die Abschaffung der Rotation, eine freiwillige Diätenabführung und die Abkehr vom verbreiteten „Prominenten-Haß“ und „Funktionärs-Diskriminierung“. Dieses sei notwendig, damit Menschen unter „vertretbaren Bedingungen für längere Zeit“ politisch in der Partei arbeiten könnten.

Das zu den Parteilinken zählende Bundesvorstandsmitglied Jürgen Reents wertete diese Aussagen als „Machtpoker“. Hamburg sei der „Testfall“ der Realos, um die Linke aus der Partei zu drängen. Reents bestätigte zugleich eigene Überlegungen für den Aufbau neuer politischer Konstellationen. Nach dem 18. März werde sich angesichts des Vereinigungsprozesses beider deutscher Staaten die Frage stellen, welche Chancen es künftig für eine „linke, ökologische und radikaldemokratische Kraft“ in einem gemeinsamen deutschen Staat gibt. Partner auf DDR-Seite könnten PDS, Frauenliste, Vereinigte Linke und die DDR -Grünen sein; auf bundesdeutscher Seite kann sich Reents die Grünen als Teil der neuen Organisation vorstellen. Die Grünen seien aber nicht der „Nabel der gesamtdeutschen Opposition“. Reents räumte ein, daß diese Überlegung als „Kampfansage“ an die Realos verstanden werden könnte.

Realos und Mitglieder des „Grünen Aufbruchs“ zeigen ebensowenig Interesse wie die Parteilinke, den GAL-Konflikt im Bundesvorstand zu diskutieren. Ein für gestern verabredetes Treffen kam nicht zustande, weil die GAL-Frauen absagten. Bestehen bleibt deshalb der vor einer Woche gefaßte Beschluß, der die GAL-Frauen zur Abgabe ihres Mandats auffordert und ihre Nichtaufnahme in die grüne Mutterpartei vorsieht. Der Beschluß war ordnungsgemäß im elfköpfigen Bundesvorstand mit 5 zu 1 Stimmen gefaßt worden, nachdem Realos und Aufbruch-Vertreter den Saal verlassen hatten. Ruth Hammerbacher zeigte auch gestern Desinteresse, diesen Beschluß zu revidieren, zumal „satzungsmäßig alles klar“ sei. Derzeit werde abgewartet, welche Wähler und Mitglieder in Hamburg nach dem „jahrelangen Desillusionierungs- und Enttäuschungsprozeß“ für die neue Organisation zu gewinnen seien.

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