Kalte Dusche für Sachsens Autobauer

Der reale Kapitalismus wirft seine Schatten voraus: Von 150.000 Arbeitsplätzen in der Trabant-Produktion und der Zulieferindustrie sind rund zwei Drittel bedroht / VW will bis Mitte der neunziger Jahre fünf Milliarden DM investieren / Trabant-Viertaktmotor schon ab Mai  ■  Aus Leipzig Dietmar Bartz

Während BRD-Wirtschaftsminister Haussmann auf der Leipziger Messe tönte, mit den DDR-Wahlen am nächsten Samstag falle der Startschuß für „Tausende geplanter Geschäfte und Kooperationen“, wurden die ersten Zahlen für die Zukunft der DDR-Automobilproduktion bekannt: Allein von den etwa 150.000 Arbeitsplätzen im Zusammenhang mit der Produktion des Trabants sind rund zwei Drittel gefährdet. Dieter Vogt, Generaldirektor des Ifa-Kombinats Personenkraftwagen, gab am Montag in Leipzig weitere Einzelheiten über die Zusammenarbeit mit VW bekannt und teilte mit, für 60 bis 70 Prozent der Gesamtbeschäftigten drohe „das Gespenst der Arbeitslosigkeit“. Am Trabant arbeiten bei Ifa rund 65.000 Menschen, in der Zulieferindustrie noch einmal soviel. Außerhalb der eigentlichen Trabant-Produktion in den sächsischen Ifa-Werken rechnet Vogt damit, daß vor allem die Branchen Plaste und Elaste, elektrotechnische und Metallerzeugnisse betroffen sein werden.

Es komme nun darauf an, „wichtige Standorte deutlich herauszuarbeiten“ und den „Gesamtstandort der Kernproduktion in Sachsen“ zu sichern. Ob ganze Fabriken geschlossen werden, wurde nicht mitgeteilt. Auch Carl F.Hahn, der Vorstandschef von Volkswagen, beschränkte sich auf die Mitteilung, es sei „schwierig, die verschiedenen Standorte Sachsens mit der internationalen Automobilindustrie zu verflechten“.

Anders als Opel bei der Kooperation mit den Wartburg-Werken in Eisenach hat sich VW - Vogt zufolge - Mühe gegeben, auch für die Zulieferindustrie Partner im Westen zu finden. Dazu habe vor zwei Wochen in Wolfsburg eine Lieferantenkonferenz mit 40 Ifa-Zulieferern aus der DDR und 80 westeuropäischen VW-Lieferanten stattgefunden. Mit Vereinbarungen zwischen der Mannesmann-Tochter Fichtel und Sachs über den Bau von Kupplungen und Stoßdämpfern in DDR-Betrieben oder einer Zusammenarbeit zwischen den Beleuchtungsherstellern Ruhla (Ost) und Hella (West) sei deshalb zu rechnen.

VW geht allerdings auch in die Vollen. Hahn gab bekannt, daß bis Mitte der neunziger Jahre fünf Milliarden D-Mark in der DDR investiert werden sollen. Noch vor Jahresende sollen in Zwickau-Mosel täglich rund 50 Polos endmontiert werden. Dafür werden 60 Millionen DM investiert. Bis Oktober 1991 soll die Produktion auf 400 Fahrzeuge täglich gesteigert werden; es sollen auch mehr Montagearbeiten nach Sachsen verlegt werden. Dafür werden weitere 200 Millionen DM nötig. In der dritten Stufe, ab 1994, sollen dann 500 Fahrzeuge täglich oder 125.000 im Jahr produziert werden. Die Fabriken werden so ausgelegt, daß auch die Herstellung von Autos der Golf-Klasse und eine weitere Steigerung auf 1.000 Einheiten täglich möglich ist. Auch bei der Herstellung des Trabant wird sich einiges ändern. Ab Mai soll der in VW-Lizenz bei Ifa in Karl-Marx-Stadt gefertigte Viertakt-Motor eingebaut werden. Damit wird der Zweitakter „601“ schneller als geplant durch den „1.1“ ersetzt.

Auch nach der Währungsunion soll der Trabant weiter in der DDR verkauft werden, allerdings nicht in der Bundesrepublik, weil dafür die notwendige Erlaubnis nicht erteilt wird. „Unterhalb von 9.000 DM“ soll der Trabant dann kosten, kalkuliert Ifa-Chef Vogt. Den Absatz sieht er einstweilen nicht gefährdet: „Jedes Konsumgut ist verkaufsfähig, wenn man nur weit genug mit dem Preis heruntergeht“, hofft er und will sogar in Ungarn und Bulgarien neue Märkte finden. Auf jeden Fall aber werde „der angemeldete Bedarf unserer traditionellen Kunden“ aus beiden Ländern befriedigt werden können.

Auch die Ersatzteilproduktion soll nun gesteigert werden. Vogt: „Wir haben nicht die Wahl, die Trabant- und Wartburg -Produktion einzustellen. Wir müssen das Loch füllen“, das bis zur Massenproduktion der Polos entstehe.