„Wir können nur eine Marktbeherrschung hier prüfen“

■ Kartellamtssprecher Schön: Was kann gegen Zusammenschlüsse getan werden, in denen eine Marktbeherrschung im künftigen Gesamt-Wirtschaftsraum angelegt ist? / Entscheidung im Fall Lufthansa und Interflug ist noch nicht gefallen / Neue Bundesbankbestimmung für Direktinvestitionen als Nothelfer gegen Marktbeherrschung

taz: Die 'Welt‘ zitiert heute den Präsidenten des Kartellamtes, Wolfgang Kartte, mit den Worten, er werde den geplanten Zusammenschluß der Lufthansa mit der DDR -Fluggesellschaft Interflug verbieten. Darf er das überhaupt?

Hubertus Schön: Nein. Diese Meldung ist so nicht richtig. Laut Präsident Kartte haben wir bis heute noch keine Freigabe oder Untersagung erteilt, weil bis heute noch keine offizielle Anmeldung des Vorhabens vorliegt. Ich will kein Hehl daraus machen, daß dieser Fall natürlich recht kritisch ist. Aber unsere Aufgabe muß sich ja darauf beschränken, die weitere Verstärkung der marktbeherrschende Stellung der Lufthansa in der Bundesrepublik durch eine Beteiligung an der Interflug zu verhindern.

Ihnen sind somit die Hände gebunden, wenn Sie keine Marktbeherrschungen untersuchen können, die durch jetzige deutsch-deutsche Zusammenschlüsse für einen späteren gesamtdeutschen Wirtschaftsraum vorbereitet werden.

Das ist in der Tat ein Problem, weil die DDR bisher kein Kartellgesetz hat. Nur ein Entwurf ohne Rechtskraft liegt vor. Wir können mit unserem bundesdeutschen Kartellgesetz nur verhindern, daß marktbeherrschende Stellungen in der Bundesrepublik verstärkt werden. Es gibt allerdings jetzt einen kleinen Notnagel. Die Deutsche Bundesbank hat eine Richtlinie erlaßen, nach der Direktinvestitionen in der DDR dann nicht genehmigt werden, wenn sie zu solchen Marktbeherrschungen in der DDR führen. Damit können wir jetzt schon zusammen mit der Bundesbank und dem Bundeswirtschaftsministerium verhindern, daß Unternehmen den aufkommenden Wettbewerb unter den DDR-Firmen und mit unseren Firmen im Keim abwürgen, indem sie Fakten schaffen, die bei einer Vereinigung nicht mehr rückgängig zu machen wären.

Darf sich die Bundesbank denn da einmischen?

Das ist eigentlich nicht die Aufgabe der Bundesbank. Alle Beteiligten sind sich darüber im klaren, daß das nur ein Notnagel sein kann. Nur wäre es natürlich auch schwierig, mit unserem Kartellgesetz in die DDR hineinzuregieren. Deshalb hat man sich entschlossen, in die allgemeine Genehmigungspflicht der Bundesbank bei Direktinvestitionen eine entsprechende Klausel aufzunehmen, um diesen rechtsfreien Raum abzudecken.

Hat die Bundesbank denn aus diesem Grund schon einmal eine Untersagung ausgesprochen?

Nein, dazu ist die Bundesbank-Veröffentlichung noch zu frisch. Außerdem ist es, meines Wissens wegen der unsicheren Rechtslage in der DDR, erst zu ganz wenigen konkreten Vorhaben gekommen.

Könnte denn ein Kartellgesetz in der DDR nach unserem Vorbild jetzt überhaupt helfen? Das wäre doch dann auch nur auf den jetzigen DDR-Raum beschränkt und dürfte keine Marktbeherrschung im künftigen Gesamtgebiet untersuchen.

Momentan weiß keiner, wie es weitergeht. Wir sind natürlich im Gespräch mit der zuständigen DDR-behörde, dem Finanzministerium. Wenn wir davon ausgehen, daß nach der Wahl in der DDR der Gesetzesentwurf ganz schnell rechtkräftig verabschiedet wird, dann könnte die DDR immerhin verhindern, daß dort marktbeherrschende Stellungen entstehen. Wenn es zu einer Vereinigung kommen sollte, wird man sich sicherlich Gedanken machen, welches Kartellrecht dann für den Gesamtraum gelten soll.

Wird Ihnen denn nicht manchmal Angst und Bange angesichts des Runs auf Zusammenschlüsse noch vor deren möglichem Zustandekommen; vor einer behördlichen Überwachung der Marktbeherrschung im gesamten künftigen Wirtschaftsgebiet? Auf der Leipziger Messe herrscht ja Torschlußpanik.

Angst und Bange wird mir nicht. Natürlich passiert da eine Menge und wir sind unter wettbewerblichen Gesichtspunkten auch froh, daß etwas passiert. Wir erhoffen uns doch, daß künftig auch von DDR-Unternehmen neue Wettbewerbs-Impulse ausgehen werden. Damit die Unternehmen der DDR überhaupt wettbewerbsfähig werden, ist ja Hilfe in Form von Beteiligungen oder Kooperationen nötig. Wir müssen nur verhindern, daß sich in der Spitze in einigen Fällen Marktbeherrschungen entwickeln.

Damit kommen wir ganz gut klar. Wir haben jetzt eine Beschlußabteilung - eigens für solche Fälle. So können wir einheitlich und schnell entscheiden, ob gravierende Wettbewerbsbeschränkungen durch bundesdeutsche Beteiligungen in der DDR drohen, oder ob diese eher dazu führen, daß sich die Wettbewerbsverhältnisse im gesamten Gebiet Bundesrepublik-DDR verbessern.

Sind Sie denn auf der Messe auch mit einem Stand für Warnungen, Schnellbeschlüsse oder Beratungen präsent?

Nein, wir haben leider keinen Stand. Wir sind ja nur eine kleine Behörde mit 230 Mitarbeitern und nicht in der Lage, jemanden dorthin zu schicken. Unser Medium ist die Presse. Die Unternehmen wissen sicherlich auch daraus, was sie zu tun haben, welche Zusammenschlüsse zu melden sind, und in welchen Fällen es kritisch wird.

Droht nicht - im Zusammenhang mit dem Opel-Einstieg im Eisenacher Wartburg-Werk - eine neue Elefanten -Zusammenarbeit von BRD-Unternehmemn? VW baut doch schon die Motoren für den Wartburg.

Ich bin hierüber nur aus der Presse informiert, gehe aber im PKW-Bereich nicht von wettbewerblichen Problemen aus. Meines Wissens geht doch VW mit IFA und Opel mit Wartburg zusammen. Wie das weitergeht, muß man sehen. Ich könnte mir beispielsweise denken, daß Opel sagt, die Wartburgs haben gefälligst künftig mit Opel-Motoren zu fahren. Da kann ich nichts Abschließendes sagen, sondern nur ganz prinzipiell: Wir sehen sicher keine Probleme, wenn sich an mehreren DDR -Unternehmen derselben Branche verschiedene Unternehmen aus der Bundesrepublik beteiligen.

Ihr großes Sorgenkind ist ja immer die Konzentration auf dem Einzelhandelssektor. Haben Sie keine Bedenken, wenn sich Spar beispielsweise jetzt schon in der DDR einkauft?

Sorge würde es mir nur machen, wenn einer unserer großen Einzelhandelskonzerne sich an zentraler Stelle in der DDR etwa beim Konsum oder sämtlichen HO-Läden - beteiligen und damit eine mögliche Vielfalt durch den Einstieg anderer in der DDR verhindert würde. Da sind uns aber noch keine offiziellen Anträge eingegangen.

Interview: Ulli Kulke