EG-Forschungsminister greifen nach den Genen

■ Bei einer Tagung im Taunus zeigten sich Differenzen im Ausmaß der ethischen Ignoranz / Wohin mit den überzähligen Embryonen?

Bonn (taz/ap) - Die Forschungsminister der Europäischen Gemeinschaft haben sich in zentralen Fragen nicht über wichtige ethische Grundsätze der biomedizinischen Forschung einigen können. Bei einem Treffen am Wochenende im Taunus waren sich die EG-Minister uneins über die Frage, wann denn das menschliche Leben überhaupt beginnt. Weitere „Meinungsverschiedenheiten“ provozierte die umstrittene Forschung mit überzähligen Embryonen, die bei der künstlichen Befruchtung anfallen, und die Beurteilung von Eingriffen in die Erbanlagen des Menschen.

Wie Forschungsminister Riesenhuber am Dienstag in Bonn berichtete, wird - anders als im Entwurf des Embryonenschutzgesetzes der Bundesregierung - in Spanien und Großbritannien die Auffassung vertreten, daß menschliches Lebens nicht mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle beginnt, sondern erst etwa zwei Wochen später. In den ersten 14 Tagen werde in diesen Ländern daher Embryonenforschung als ethisch vertretbar angesehen.

Riesenhuber betonte, mit naturwissenschaftlichen Methoden allein lasse sich die Frage nach dem Beginn des Lebens nicht beantworten. Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Rechtstraditionen und politischer Wertungen, die beispielsweise auch in den Gesetzen zum Schwangerschaftsabbruch zum Ausdruck kämen, zeichne sich derzeit keine europäische Übereinstimmung in dieser Frage ab.

Bei der Gentherapie, der Manipulation der Erbanlagen des Menschen, gab es laut Riesenhuber Übereinstimmung darüber, daß Eingriffe in menschliche Keimbahnzellen heute ethisch nicht vertretbar seien, schon weil eine solche Therapie gegenwärtig nicht beherrscht werde und damit schlimme Mißbildungen nicht ausgeschlossen werden könnten. Einige europäische Forschungsminister seien aber der Auffassung, daß dies in Zukunft anders zu beurteilen sei, wenn solche Gefahren ausgeschlossen werden könnten. In den USA hat die Gesundheitsbehörde erst letzte Woche erstmals ein Experiment zur Gentherapie genehmigt.

Übereinstimmung herrschte nach Angaben Riesenhubers darüber, daß beim Umgang mit menschlichen Embryonen eine Reihe von Praktiken ethisch nicht vertretbar seien. Riesenhuber nannte in diesem Zusammenhang den bekannten Horror-Katalog: Forschungen an Embryonen, die auch am Tiermodell durchgeführt werden könnten, Forschungen ohne Einwilligung der genetischen Eltern, die routinemäßige oder serienmäßige Verwendung menschlicher Embryonen in Prüfverfahren, die künstliche Herstellung und Vermehrung völlig identischer Embryonen (Klonierung) sowie die Erzeugung von Mischwesen aus Mensch und Tier.

Einig waren sich die EG-Minister in der Diskussion über den Zugriff auf die menschlichen Erbanlagen. Die Diagnose (überprüfung?) dieser Erbanlagen solle „nur“ auf freiwilliger Basis mit Zustimmung des Betroffenen angewandt werden, hieß es. Der Einzelne solle selbst entscheiden, ob er über seine Erbanlagen informiert werden will oder nicht. Die genetischen Daten einer Person müßten so vertraulich wie andere medizinische Daten behandelt werden. Ferner soll der Mißbrauch gendiagnostischer Methoden für Zwecke der Auswahl nach Gesichtspunkten der Erbgesundheit (Eugenik) ausgeschlossen werden.