Die grün-lila StreiterInnen sind des Wahlkampfs müde

■ Die Grüne Partei und der Unabhängige Frauenverband feierten den Abschluß ihrer gemeinsamen Karawane quer durchs Land / Höchstens dreihundert Interessierte kamen ins Zirkuszelt

Ost-Berlin (taz) - Kohl kommt in die Bundestagskneipe und fragt: Was gibt's heute zu Mittag? Sagt der Kellner: Hirn, Herr Bundeskanzler. Darauf Kohl: Oh, ich glaub‘ das bekommt mir nicht.

Das Publikum lacht - dankbar über jeden Pausenfüller. Hinter der Bühne hat es irgendeine Panne gegeben, das „Wahlhappening“ ist ins Stocken geraten. Eigentlich sollte die grün-lila Wahlkarawane des Bündnisses aus Grüner Partei und Unabhängigem Frauenverband seinen krönenden Abschluß erleben. Elf Tage lang tourte ein wechselndes Team von WahlkämpferInnen mit drei Kleintransportern durchs Land, um ihr Programm: „ökologisch, basisdemokratisch, solidarisch, gewaltfrei, frauenfreundlich“ ans Volk zu bringen.

Resümee positiv

Überall seien sie auf interessierte Menschen gestoßen, heißt es, vor allem da, wo die Medien sie vorher angekündigt hätten, zeigen sich die HeimkehrerInnen recht zufrieden. In einigen Orten haben sich spontan neue Frauengruppen gebildet. Den Süden fanden sie leider bereits völlig schwarz -rot-gold-gepflastert vor. Auf dem Marktplatz in Eisenach konkurrierte der grün-lila Infostand mit dem Demokratischen Aufbruch. In Halle fand mensch sich umzingelt von Lastwagen, die Südfrüchte, Champignons, Palmen und Cola-Dosen für DM oder entsprechende Mark-Beträge verscherbelten.

Ines Koenen vom Unabhängigen Frauenverband ist erstaunt, daß viele Leute noch gar nicht wußten, was sie wählen sollten. Ihr Resümee: „Unsrere Kampagne hat sich auf jeden Fall gelohnt, auch wenn wir keine Massenpartei sind.“

Gewiß nicht. Höchstens dreihundert Menschen haben sich am Mittwoch abend im Zirkuszelt Busch eingefunden - weit draußen in der Neubausiedlung Berlin-Hellersdorf. Wahlvolk und -kämpferInnen sind gleichermaßen ermüdet von diesem Demokratiespiel. Die grün-lila KandidatInnen wissen nicht mehr, was sie erzählen sollen. Zu oft haben sie in den vergangenen Wochen ihre Positionen in Hearings, TV-Runden, Interviews widergekäut. Heute abend geben sie nur noch „Statements“ ab. Und Vera Wollenberger, Listenführerin der grün-lila Liste in Berlin, ist ehrlich verzweifelt, als sie zehn Minuten reden soll, um eine Programmlücke zu füllen. Für sie springt ein kleines Mädchen in die Bresche, singt etwas von einem Samenkorn, das im Boden schläft. „Das Chaos ist die einzige natürliche Existenzweise“, sagt Walfriede Schmitt, Conferenciere des Abends.

Ina Deter als Höhepunkt

Kalt zieht es durchs gähnend leere Zelt. Draußen gibt's heißen Kirschpunsch, Westbier und Westwurst für viel Ostmark. Das Publikum ist freundlich und geduldig. Barbara Kellermanns „zärtliche Lieder“ tropfen ins Sägemehl der Arena, Andre Herzberg, von seiner Band verlassen, verliert noch eine Gitarrensaite, hält aber mit seiner Stimme die Stimmung aufrecht. Schließlich rockt Schröders Roadshow aus Köln ab. Die Westberliner AL oder die Bundesgrünen hatten sie als „special guests“ extra einfahren lassen - als Teil der Wahlkampfunterstützung. Es darf geschwoft werden.

Dann, als Höhepunkt des Abends: Ina Deter. Mit ihren alten Liedern, die arg hart am Kitsch vorbeischrammen, wird's richtig nostalgisch. Wer könnte es sich verkneifen, bei Neue Männer braucht das Land mitzugrölen. Das singt sie gar zweimal, mit und ohne Band, und die ZuhörerInnen dürfen mitmachen. Dann gehn die Lichter aus, und das verbliebene Publikum geht beschwingt nach Haus. Draußen, im Bus sitzen die nicht mehr nüchternen Schröders und wünschen nur eins: eine Kneipe zum Durchmachen.

Ulrike Helwerth Siehe auch Frauenseite 12