Erste Sechserrunde: Polen sind zufrieden - EG-Staaten sind es nicht

■ EG-Mitgliedstaaten fordern stärkere Einbeziehung in den Prozeß der deutschen Einigung / Die polnische Regierung will auch bei der Truppenstationierung in Deutschland mitreden

Berlin (dpa/taz) - Als eine generell erfreuliche Nachricht hat Polens Außenminister Skubiszewski die Einladung zur Teilnahme an den bislang als Sechserrunde geplanten Gesprächen über die äußeren Aspekte der deutschen Einigung bezeichnet. „Uns geht es um einen definitiven Vertrag über die Grenze, der den Rang einer Friedensregelung haben sollte“, sagte Skubiszewski. Der polnische Außenminister hat den Themenkomplex für die polnische Beteiligung unterdessen dahingehend präzisiert, daß Polen nicht nur über das Problem seiner Westgrenze, sondern auch bei der Frage der Stationierung fremder Truppen in Deutschland beteiligt werden will. Eine entsprechende Erklärung war am Donnerstag in der amtlichen Tageszeitung 'Rzeczpospolitika‘ erschienen.

Bei den bisherigen Teilnehmern der Zwei-plus-vier -Konferenz, die erstmals am Mittwoch sieben Stunden lang in Bonn getagt hatte, hielt sich die Freude dagegen in Grenzen. In diplomatischen Kreisen wurde von „denkbar ungünstigen Umständen“ gesprochen, unter denen die Runde beginnen mußte. An tatsächlichen Ergebnissen präsentierte der politische Direktor des Auswärtigen Amtes, Dieter Kastrup, lediglich eine Einigung darüber, die nächste Sitzung wieder auf Beamtenebene - und zwar in Ost-Berlin - stattfinden zu lassen. Dem Vernehmen nach hatte vor allem die französische Regierung noch einmal kritisiert, daß aus ihrer Sicht die Gefahr bestünde, die Runde der vier Siegermächte könnte dazu degradiert werden, nur noch deutsch-deutsche Einigungen abzuzeichnen. Der De-facto-Kanzlerkandidat der SPD, Oskar Lafontaine, hat nach einem Gespräch mit Frankreichs Ministerpräsident Mitterrand und anderen Regierungsmitgliedern indirekt die Kritik aus Paris unterstützt. Er sei in allen wichtigen Fragen mit Mitterrand einig, erklärte Lafontaine, insbesondere unterstütze er das französische Anliegen, den Prozeß der deutschen Einigung besser in den europäischen Rahmen zu integrieren. Dies gelte auch für die Sicherheitspolitik. Nach Lafontaine dürfte diese Frage nicht auf die Nato-Mitgliedschaft eines vereinigten Deutschlands reduziert werden. Die Lösung sei vielmehr nur in der europäischen Zusammenarbeit zu finden. In dieser Hinsicht sei die Politik Kanzler Kohls verheerend.

Auch der SPD-Ehrenvorsitzende Brandt drängte gestern auf eine stärkere Einbeziehung aller neun unmittelbaren Nachbarstaaten Deutschlands. Bereits eine Wirtschafts- und Währungsunion hätte erhebliche Implikationen für alle europäischen Staaten.

Die EG-Kommission hat die Bundesregierung inzwischen aufgefordert, möglichst bald intensivere Konsultationen mit allen EG-Staaten aufzunehmen.

JG