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Nach oben buckeln, nach unten treten?-betr.: "Radfahren im Tiergarten", Leserbrief von Ingolf Schmidt", taz vom 10.3.90

Betr.: „Radfahren im Tiergarten“, Leserbrief von Ingolf Schmidt, taz vom 10.3.90

Angesichts der täglich über den Tiergarten hereinbrechenden lärmenden und Abgase ausstoßenden Blechlawine finde ich es erschreckend, daß manchem Radfahrer keine dringendere Forderung mehr einfällt, als die Benutzung der über vier Meter breiten Fußwege legalisiert zu bekommen. Wer dazu noch glaubt, mit dieser Regelung polizeiliche Überwachungs- und Ordnungsmaßnahmen zu beenden, lügt sich in die Tasche, worin er künftig besser das Bandmaß zum Bestimmen der Wegebreiten aufbewahren sollte.

Wer in dieser Stadt ein paar Jahre mit offenen Augen radgefahren oder zu Fuß gegangen ist, hatte die Gelegenheit, festzustellen, daß die bisherigen Maßnahmen „für den Radfahrer“ fast immer zu Lasten des Fußgängers gingen und der wirkliche Nutznießer der Autofahrer war. So hat man Platz für Radwege meist von den Bürgersteigen weggenommen, während der Autofahrer fortan freie Bahn hatte. Es ist nur zu hoffen, daß diese Art von „Verkehrserziehung“ das Rollenverständnis des „Radfahrers“ bei dem einen oder anderen Radfahrer nicht wirklich befördert hat: Nach oben buckeln, nach unten treten. (Und die andere Hälfte der Menschheit glatt aussparen: Radfahrerinnen, Fußgängerinnen, Autofahrerinnen! d.sin)

In jedem Fußgänger (zum Beispiel vom FUSS e.V.) den verkappten Autofahrer - im Lammpelz und Kreide gefressen zu vermuten, ist mindestens ebenso dumm, wie umgekehrt jedem Radfahrer Verkehrsrowdytum zu unterstellen!

Der VCD will,

1. daß der Autoverkehr durch Straßensperrungen und die Beseitigung von Parkmöglichkeiten schnell und weitgehend aus dem Tiergarten herausgehalten wird. Für den Rest muß sofort Tempo 30 gelten.

2. daß Fußgänger und Radfahrer gemeinsam über die Benutzung ihrer Wege im Tiergarten entscheiden und nicht ohne Anhörung gegeneinander ausgespielt werden. (Fußgängerinnen und Radfahrerinnen scheinen nicht gegeneinander ausgespielt, aber wie üblich mal wieder ausgelassen zu werden! Danke schön! d.sin) (Nähere Informationen zu den konkreten Vorschlägen gibt's beim VCD Berlin, Uhlandstraße 161, 1000 Berlin 15)

Joachim Schmitt (Radfahrer, Fußgänger, VCD-Mitglied)

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