INDONESIEN der Generäle

■ Wie sich 'Merian' zum Sprachrohr einer Militärregierung macht

Wie sich 'Merian‘ zum Sprachrohr einer Militärregierung

macht

Reisemagazine zeichnen sich bekanntlich nicht gerade durch eine besondere Sensibilität für die Menschenrechte, ökologische und soziale Probleme aus, die den Urlaubern das Heile-Welt-Klischee von „exotischen Ländern“ zerstören könnten. So war es durchaus bemerkenswert, als die Zeitschrift 'Merian‘ Manfred Bissinger, ehemals bei 'Konkret‘ und 'Natur‘, zum Chefredakteur ernannte.

Die Indonesien-Ausgabe dokumentiert jedoch, wie sehr sich der neue Chefredakteur der Tradition der Reiseblätter angepaßt hat. Zweifellos ist Indonesien ein delikates Thema für einen Reiseführer. Es gibt wohl kaum eine amtierende Regierung auf der Welt - weder in Südafrika noch in Chile -, die mehr Menschen auf dem Gewissen hat als das Militärregime unter General Suharto. Nach einem angeblichen linken Putschversuch 1965 massakrierten Suhartos Truppen gemeinsam mit Moslemverbänden vermutlich mehr als eine Million Kommunisten, Gewerkschaftler, Intellektuelle und andere Oppositionelle. Darüber hinaus töteten indonesische Soldaten in den annektierten Provinzen Westpapua und Osttimor 150.000 beziehungsweise 200.000 Menschen durch Krieg, Aushungern und Terror.

Es ist sicherlich nicht die Aufgabe von Reiseführern, derartige Verbrechen in aller Ausführlichkeit darzustellen. Indonesien jedoch als „Musterstaat“ zu verkaufen, könnte allenfalls einem staaatlichen Informationsbüro nachgesehen werden, nicht jedoch einem Reisemagazin wie 'Merian‘.

Das Indonesien-Heft enthält ein Einführungskapitel von Gisela Strasser, alias Verena Stern, der die Realität streckenweise auf den Kopf stellt. Wörtlich heißt es: „In Indonesien gibt es keine ethnisch oder religiös motivierte Unabhängigkeitsbewegungen wie etwa in Indien, auf Sri Lanka oder auf den Philippinen. Indonesiens Politiker haben das Land nie als einen Schmelztiegel verstanden.“ Hat die Asien -Korrespondentin der 'Süddeutschen Zeitung‘ wirklich noch nie von der „Fretilin“ (Revolutionäre Front für ein unabhängiges Osttimor) oder von der „OPM“ (Organisation Freies Papua) gehört, die um nichts anderes kämpfen als um ihre „ethnisch oder religiös motivierte Unabhängigkeit“? Hat sie noch nie etwas von der Transmigration gehört, der Umsiedlung von vielen Millionen Malaien aus Java und den benachbarten Inseln in die Außengebiete wie Kalimantan, West Papua oder Osttimor, wo Melanesier oder Protomalaien leben? Zahllose Äußerungen unverdächtiger Zeugen dokumentieren den Schmelztiegelcharakter der Transmigration, so der Asien -Korrespondent Peter Hastings, der Indonesien sehr wohlgesonnen ist: „Es gibt ein entscheidendes Element in der Transmigrationsplanung, das unverkennbar ist Indonesierung. Dies hieß früher Javanisierung, aber die Javaner mögen das Wort nicht...“

Im 'Merian'-Heft kommt es noch dicker: „Indonesien ist in bezug auf die rassische Harmonie ein Musterstaat“, schreibt Gisela Strasser. Dagegen der SPD-Politiker Hans-Ulrich Klose nach einem Indonesienbesuch: „Das Maß an kultureller Vereinheitlichung ist ja erschreckend und traurig...“ Das allmächtige Militär wird gemäß Frau Strasser „von der Bevölkerung auch als Führungskräfte in Politik und Wirtschaft ohne viel Kritik akzeptiert“. Das stimmt. Doch nur deshalb, weil jeder, der den Machtanspruch der Armee kritisiert, Opfer der staaatlichen Repression wird.

Wenn eine Auslandskorrespondentin die Realität derartig verdreht, dann hat sie entweder keine Ahnung von der Region, oder die Angst um das nächste Visum hat ihre Kritikfähigkeit so reduziert, daß sie die indonesische Staatspropaganda bereits als eigene Meinung verinnerlicht hat.

Wie solche Ausführungen als thematische Einführung in das Heft gelangen konnten, bleibt unklar, denn im weiteren Verlauf deuten andere Artikel an, wie absurd Frau Strassers Beschreibungen sind. So berichtet Michael Sontheimer über das Transmigrationsprogramm und die „ethnisch oder religiös motivierte Unabhängigkeitsbewegung“ der Papua. Dennoch bleibt auch er weit hinter den Möglichkeiten einer kritischen Berichterstatung zurück.

Ein Beitrag des 'Stern'-Mitarbeiters Erdmann Wingert schildert anschaulich die Zerstörung des Regenwaldes in Kalimantan. Daß damit auch die Ureinwohner vernichtet werden, erfährt der Leser allenfalls zwischen den Zeilen. Die übrigen Beiträge befassen sich in erster Linie mit kulturellen Themen wie der Totenzeremonie bei den Toraja, dem buddhistischen Erbe oder dem Schriftsteller und Indonesienreisenden Joseph Conrad.

Allein die „Daten zur Geschichte“ im Anhang erwähnen die Massaker nach dem Militärputsch von 1965 sowie die sozialen Spannungen. Mehrere Karten indes lassen jegliches politisches Fingerspitzengefühl vermissen. Die ehemalige portugiesische Kolonie Osttimor wird wie selbstverständlich Indonesien zugeordnet - eine völkerrechtliche Bewertung, die weder die UNO, die EG, die Bewegung der Blockfreien (deren Gründungsmitglied Indonesien ist) noch eine andere international relevante Vereinigung teilt. Wer Osttimor zu Indonesien zählt, der orientiert sich an der Macht der Gewehre statt am Völkerrecht.

Klemens Ludwig

Merian Indonesien, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1989, 12,80 DM.