Rote Flecken auf Diestels schwarzer Weste

In seiner unter Verschluß gehaltenen Promotionsschrift pries der jetzige DSU-Generalssekretär Peter Michael Diestel noch die sozialisitische Agrarpolitik in höchsten Tönen / Jetzt präsentiert er sich als Verfechter des Privateigentums in der Landwirtschaft  ■  Aus Leipzig Peter Pan

In der Leipziger Universitätsbibliothek steht der Zettelkasten mit dem Vermerk „VD - Vertrauliche Dienstsache“. Dort, unter der Signatur 862417, findet sich der Hinweis auf eine besondere Promotionsschrift: bedingt ausleihbar, getrennt aufgestellt, das einzige Exemplar ist zur Zeit nicht auffindbar.

Dabei klingt der Titel der Doktorarbeit aus dem Jahre 1985 gar nicht so aufregend. Er lautet: „Die rechtliche Gestaltung der Kooperationsbeziehungen der LPG, VEG und anderer Kooperationspartner unter der Bedingung der Zusammenarbeit in einer Agrarindustrievereinigung“. Der Autor Peter Michael Diestel zitiert zur wissenschaftlichen Untermauerung seiner Vorschläge zur juristischen Ordnung der volkseigenen Landwirtschaft die marxistischen Klassiker: Engels, Lenin und den ehemaligen Generalsekretär der SED, Erich Honecker.

Mittlerweile ist der 38jährige Diestel selbst Generalsekretär einer Partei, der in Leipzig gegründeten konservativen DSU. In der neuen Partei gilt der gelernte Melker als Fachmann für die Landwirtschaft. Die DSU fordert „das volle Selbstbestimmungsrecht der Bauern über ihre Betriebe“ und die „Förderung von Einzelbauern“.

In seiner fünf Jahre alten Promotion nennt Diestel die Kooperation mehrerer landwirtschaftlicher Großbetriebe noch „ein objektives Erfordernis“. Kein Wort der Kritik übt er an der Zusammenfassung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften zu großen Agrarindustrievereinigungen - ein Schritt in Richtung Machtkonzentration und staatlicher Lenkung, der damals selbst in der LPG umstritten gewesen ist.

„Konsequente Einzelleitung und das Prinzip der Einstimmigkeit sollen die genossenschaftliche Demokratie in den Vereinigungen prägen“, schreibt Diestel. Die meisten dieser Vereinigungen wurden gegen den Widerstand der Bauern geschaffen und sind mittlerweile gescheitert.

Ziel der Promotionsarbeit, so steht es im Vorwort, ist es, „dem gesellschaftlichen Auftrag des XX. Parteitags“ zu entsprechen und „die in den Agrarindustrievereinigungen gesammelten Erfahrungen zu untersuchen und zu analysieren“. Es sollen „die günstigen Entwicklungsbedingungen des genossenschaftlichen Eigentums am Beispiel der Vereinigungen“ dargelegt werden. Heute wirbt Diestels Partei, die DSU, für freies Unternehmertum und Privatbesitz an Boden und Produktionsmitteln.

Diestel selbst nennt seine Promotion eine ganz normale rechtswissenschaftliche Arbeit, verweigert aber jede Stellungnahme. Erst will er wissen, wer seine Arbeit an die Öffentlichkeit gebracht hat. Niemand dürfe Einblick nehmen, denn das Werk sei eben „VD - vertrauliche Dienstsache“.

Warum die Arbeit geheim ist, können auch die Professoren an der Sektion Rechtswissenschaften der Karl-Marx-Universität in Leipzig nicht erklären. Immerhin habe die mündliche Prüfung von fünf Jahren noch öfentlich stattgefunden. Jetzt soll die Arbeit wieder zugänglich gemacht werden.

Seit 1978 arbeitete Diestel als Justitiar in einer Agrarindustrievereinigung. Im neuesten 'DSU-Kurier‘, der Wahlkampfzeitung, für die Diestel verantwortlich zeichnet, liest sich das so: „Dr.Peter Michael Diestel, Jurist, seit Jahren trotz aller sozialistischen Behinderungen im wirtschaftlichen Bereich tätig, bringt alle Voraussetzungen mit, ein glaubwürdiger Anwalt der sozialen Marktwirtschaft zu sein.“