Am Sonntag entscheidet sich Heiko Hoffmanns Zukunft

Die deutsch-deutsche Diskussion überlagerte völlig den Kommunalwahlkampf im meerumschlungenen Schleswig-Holstein / Lokale Wählergemeinschaften dominieren  ■  Aus Kiel Jürgen Oetting

Selten wurde einem Kommunalwahlkampf so wenig Beachtung geschenkt wie in diesem Jahr in Schleswig-Holstein. Vor allem der deutschlandpolitische Theaterdonner überdeckte die flauen lokalpolitischen Auseinandersetzungen im Norden. Lediglich die Bauern gingen auf die Straße - aus Protest gegen die Preispolitik der Europäischen Gemeinschaft.

12.875 Mandate werden am Sonntag vergeben, in 1.098 kreisangehörigen Gemeinden, vier kreisfreien Städten und elf Landkreisen. Um die Gunst der gut zwei Millionen Wählerinnen und Wähler bewerben sich zehn Parteien und über tausend Wählergemeinschaften. Diese Gemeinschaften dominieren zwar eindeutig in der Kommunalpolitik, tauchen im veröffentlichten Gesamtwahlergebnis dann aber nicht mehr auf, weil es aus der Summe der Stimmen in den Kreistagen und kreisfreien Städte ermittelt wird, wo sie in der Regel nicht antreten.

SPD, CDU, FDP und Grüne dagegen sind in allen Kreisen und kreisfreien Städten Schleswig-Holsteins mit Wahlvorschlägen und Listen vertreten. Außerdem kandidiert der dänisch orientierte „Süd-Schleswigsche Wählerverband“ (SSW) in den Kreisen nördlich der Eider, die die Landesteile Holstein und Schleswig trennt. In der nördlichsten Stadt der Bundesrepublik, dem kreisfreien Flensburg, spielt der SSW traditionell eine gewichtige Rolle. 1986 erzielten die Dänen hier 20,6 Prozent und neun Sitze in der Ratsversammlung. Auch in Nordfriesland (Husum) und im Landkreis Schleswig -Flensburg sind sie mit Fraktionen in den Kreistagen vertreten.

Die - abgesehen von den Wählergemeinschaften - stärkste Kommunalpartei CDU kämpft um die Wiederherstellung ihres landesweiten Ansehens, das seit der Barschel-Affäre arg beschädigt ist. 1986 bekamen die ChristdemokratInnen in den Kreisen 44,2 Prozent. Sollten es am Sonntag erheblich weniger werden, dürfte das politische Stündlein des Oppositionsführers im Landtag, Heiko Hoffmann, geschlagen haben. Ihm wird nämlich vom Parteivorstand um den Landesvorsitzenden Ottfried Hennig die Verantwortung für die Profillosigkeit der Union im Norden in die Schuhe geschoben.

Die SPD (bisher 40,3 Prozent) tritt erstmals mit dem landespolitischen Wind im Rücken an, doch es könnte passieren, daß er die GenossInnen in einigen Regionen aus den Schuhen weht. Ministerpräsident Björn Engholm hat in den letzten Monaten nämlich mehr von Deutschland als von Schleswig-Holstein geträumt. Zu Beginn des Jahres wollte er eine Nord-Konföderation mit Mecklenburg und wertete die Westküste ausdrücklich als strukturschwach ab - den Osten zu fördern sei sinnvoller. Damit dürfte er manche/n WählerIn in Dithmarschen und Nordfriesland verprellt haben. Als er dann auch noch über eine eventuelle Nord-Hauptstadt Lübeck spekulierte, machte er sich bei den KielerInnen unbeliebt. Darüber hinaus hat die SPD-Landesregierung für zwei heißumstrittene Wahlkampfthemen gesorgt.

Der bei Erweiterungsarbeiten am Lübecker Skandinavienkai anfallende Baggerschlamm sollte mit einer Sondergenehmigung des Umweltministers Berndt Heydemann in der Lübecker Bucht verklappt werden, genau vor den Stränden der Seebäder. Die erreichten dann vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig einen einstweiligen Stopp der Schweinerei. Lübecks SPD -Oberbürgermeister Michael Bouteiller jedoch kämpfte in der Vorwahlzeit verbissen um die Verklappung, zumindest in den Ostseebädern um Lübeck herum, und das wird die Sozis Stimmen kosten.

Im Kreis Rendsburg-Eckernförde kämpfen die SozialdemokratInnen sogar gegen Landespartei und Landesregierung. Die Kieler Obersozis möchten den Bundeswehrflugplatz in Hohn bei Rendsburg allzu gern zum zivilen Regionalflughafen ausbauen. Die AnwohnerInnen sind aber jetzt schon durch den Flugbetrieb genervt. Also schreiben die Kreis-SPD und die Rendsburger Stadt-SPD das Nein zu Engholms Flugplatzplänen in ihre Wahlprogramme. Der Ministerpräsident fand das gar nicht in Ordnung, er hätte lieber eine „ergebnisoffene“ Diskussion über den Wahltermin hinaus geführt.

Die „Republikaner“ werden diesmal sicher nicht an ihr Europawahlergebnis vom vergangenen Jahr anknüpfen können. Sie kandidieren nur in drei Landkreisen sowie in Kiel und Lübeck. Und selbst dort, wo sie kandidieren, konnten sie ihre personellen Engpässe nicht leugnen. Insbesondere mit den notwendigen 20 Unterschriften pro Wahlkreis wollte es nicht immer klappen. Im Kreis Rendsburg-Eckernförde (29 Wahlkreise) zum Beispiel wurden die „Republikaner“ in acht Kreisen nicht zugelassen, in vierten hatten sie nicht genügend Unterschriften zusammenbekommen und in vier weiteren waren einige dieser Unterschriften offensichtlich gefälscht.

Ähnlich erging es der NPD, die in zwei Kreisen kandidert. In Neumünster wurden die Nationaldemokraten in einem Wahlkreis nicht zugelassen, weil die zwanzigste Unterschrift von einer Ausländerin stammmte. Nur in den beiden Großstädten Kiel und Lübeck wird das Abschneiden der Rechten mit Bangen abgewartet. Lübeck gilt als Hochburg der Reps, weil hier viele Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes existieren, und diese Truppe einige führende Rechtsextreme hervorgebracht hat. In Kiel gibt es ein beachtliches Potential ausländerfeindlicher WählerInnen - bei früheren Kommunalwahlen hatte eine „Kieler Liste für Ausländerbegrenzung“ (KLA) für negatives Aufsehen gesorgt. Die rechtsradikale DVU kandidiert nur im Kreis Steinburg.

Die Grünen stellen in allen vier kreisfreien Städten und in zehn Landkreisen Abgeordnete, nur in Dithmarschen blieben sie bisher erfolglos, nicht zuletzt durch die Konkurrenz der „Unabhängigen Wählergemeinschaft“. Für die Grünen geht es am Sonntag darum, ihren Ruf als Kommunalpartei zu verteidigen. 1986 erzielten sie auf Kreisebene landesweit 7,4 Prozent. Die grüne Strömungspolitik jedenfalls spielt auf kommunaler Ebene keine Rolle - die Flensburger Ökosozialisten arbeiten im Rathaus genauso pragmatisch wie die Kieler Realos. Allerdings könnte die Hamburger GAL-Spaltung die Grünen zumindest im Umland der Metropole schwächen.

Mit besonderer Spannung erwarten die Alternativen das Wahlergebnis im Elbestädtchen Geesthacht (Kreis Herzogtum Lauenburg). Dort nämlich hat der Grünen-Dissident und unabhängige Bundestagsabgeordnete Thomas Wüppesahl gemeinsam mit Lokalgrößen eine unabhängige Wählergemeinschaft gegründet, deren erklärtes Ziel es ist, die grüne Fraktion aus dem Rathaus zu verdrängen.

Die Liberalen scheiterten 1986 in vielen Kreisen an der Fünf-Prozenthürde und werben jetzt mit dem bezeichnenden Spruch „Diesmal wieder mit der FDP.“