„Das Image der Chemie ist janusköpfig“

■ Gespräch mit Willi Gierlich (57), dem Leiter der Abteilung Sportwerbung bei Bayer in Leverkusen / Werbegelder zahlen sich aus / Die meisten Vereine zu sind dumm, sich der Wirtschaft anzubieten

taz: Herr Gierlich, was hat man sich denn unter einer Abteilung Sportwerbung im Bayer-Konzern vorzustellen?

Willi Gierlich: Die Abteilung Sportwerbung ist vor sieben Jahren eingerichtet worden, und zwar zunächst zu Werbe- und Informationsmaßnahmen für den Profifußball, weil das unser Flaggschiff ist. Die zweite Gruppe in dieser Abteilung ist gerade entstanden und nennt sich Sport-Promotion. Sie hat die Aufgabe, den Sport für Bayer und seine Produkte stärker zu nutzen. Der Sport im eigenen Hause hat dabei Priorität, aber auch andere Mannschaften, Vereine, Veranstaltungen und Verbände sollen genutzt werden.

Welches Image soll das Unternehmen denn durch das Engagement im Sport bekommen?

Das Unternehmensimage, das wissen wir aus Untersuchungen, ist hervorragend - mit der Einschränkung Chemie. Das Image der Chemie ist janusköpfig. Durch den Sport können zwei Dinge geschehen. Erstens kann eine Intensivierung in „frisch, jugendlich, fortschrittlich“ usw. erfolgen, und es kann natürlich auch eine Stabilisierung des Images stattfinden. Bei einer repräsentativen Umfrage, wie wir sie schon ein paarmal gemacht haben, kommt bei der Frage „Woran denken Sie, wenn sie den Namen Bayer hören?“ immer wieder dieselbe Reihenfolge heraus. In erster Linie denken die Leute an Pharmazeutika und Aspirin, in zweiter an Chemie und schon an dritter Stelle kommt Fußball.

Also sollen gesunde Fußballerbeine krankmachende Industrie vergessen lassen.

Das ist ja schon allgemein diskutiert worden. Auch bei den Problemen, die etwa Daimler-Benz in Zusammenhang mit seinen Fusionsplänen hatte. Dort ist sogar von Vorstandsleuten ausgesprochen worden, daß das Sportengagement auch dazu dient, mögliche Negativ-Images auszugleichen.

Wie groß ist das finanzielle Engagement für den Sport?

Zahlen kann ich ihnen nicht nennen, weil ich sie selbst nicht kenne. Ich weiß auch gar nicht, ob sich jemand bei Bayer überhaupt die Mühe gemacht hat, das auszurechnen.

Gibt es denn keine Berechnungen, was die Investitionen in diesem Bereich wert sind?

Im deutschen Bereich haben wir Teilberechnungen angestellt. Ein Beispiel: bei der Live-Übertragung eines Fußballspiels können sie, wir haben das abgestoppt, von fünf bis sieben Minuten Großeinstellungen ausgehen, mit deutlich sichtbarem Bayer-Kreuz. Wenn man sieben Minuten auf eine ARD-Werbezeit ausrechnet, dann ist das ein Wert von 700.000 Mark.

Ein gutes Geschäft.

Und da kommen ja noch andere Dinge hinzu. Fotos in der Presse oder Ausstrahlung dieser Sendung in anderen Ländern. Das haben wir dann mal auf die Saison übertragen, für den Fußball in Leverkusen und Uerdingen, auf andere Sportarten, und dann ist man ganz schnell bei Größenordnungen von zig Millionen und damit auch beim doppelten dessen, was man reingesteckt hat. In ernsthaften Medien ist der Werbewert unseres UEFA-Cup-Endspiels mit 300 Millionen Mark bewertet worden. Aber das ist wohl übertrieben.

Live-Übertragungen und internationale Fußballsiege sind aber bei Bayer Leverkusen, trotz der momentanen guten Saison, und in Uerdingen nicht unbedingt die Regel. Lohnt sich der Aufwand denn auch für einen Zwölften oder Vierzehnten der Tabelle?

Das ist ja im Prinzip ein Problem für jeden Sportwerbetreibenden. Wenn er nicht gerade Seriengewinner wie Steffi Graf oder Boris Becker hat, geht er immer ein gewisses Risiko ein. Manche scheuen das Risiko und setzen lieber auf Veranstaltungen und Bandenwerbung, weil sie dann immer bei den Siegern sind. Wir sagen: Sport ist von Hause aus erstmal etwas Positives und wird stärker beachtet als andere Berichterstattung. Da ist der Unterschied zwischen dem Tabellenersten und dem Zwölften gar nicht so gravierend.

Einige Unternehmen sehen das wohl anders. Deshalb hat Opel doch seinen Werbevertrag mit der grauen Maus VfL Bochum nicht verlängert und sich dann massiv bei Bayern München engagiert.

Das finde ich zunächst mal sehr unsportlich und arrogant. Außerdem sollte man die Unterschiede nicht so krass sehen. Es ist doch ein Wahnsinn, daß der VfL Bochum von Trigema im Jahr 300.000 Mark bekommt und 13. ist, während der HSV von Sharp 2,5 Millionen Mark kriegt und an 14. Stelle steht. Eine Mannschaft wie Bochum, die sich seit Jahren auf bewundernswerte Weise vor dem Abstieg rettet, genießt auch ein hohes Image. Bei Opel finde ich die Entscheidung richtig, weil die aus dem biederen Image rauskommen wollen. Aber wenn es um eine solide Geschichte ginge, dann wäre Bochum als Werbeträger wahrscheinlich sogar geeigneter.

Sie haben es in Leverkusen sehr einfach durch die enge Verflechtung von Werk und Verein. Was kann denn die Konkurrenz machen?

Mit der Ware Fußball müßte jeder Profiverein in der Lage sein, die Lücke zwischen Ausgaben und Zuschauereinnahmen mit Werbung zu füllen. Nur scheitert das erstens daran, daß die Leute es nicht kapieren und zweitens, daß die falschen Leute da sind - selbst in der Bundesliga. Ich kann dieses Gejammere über den „Millionenclub“ nicht mehr hören.

Kaufen immerhin können Sie vom Feinsten.

Die Industrie und die Wirtschaft müssen nur richtig angesprochen werden. Aber man muß dann natürlich auch hingehen und eine ordentliche Ausarbeitung machen. Aber wenn Sie heute als Agentur einen Brief an die gesamte erste und zweite Bundesliga schicken und bitten mal um Angebotsunterlagen für Bandenwerbung oder Anzeigen in der Stadionzeitung, dann kriegen Sie von der Hälfte der Vereine überhaupt keine Antwort. Da liegt der Hund begraben.

Interview: Christoph Biermann