Perestroika am Horizont

Die unsichere Zukunft der bayerischen CSU  ■ K O M M E N T A R E

Geschickt versucht die CSU momentan über die Wiedervereinigungsmasche ein neues „Kreuth“ einzuläuten. Über ihren „Hauskaplan“, Pfarrer Hans Wilhelm Ebeling von der schwarzen Bruderpartei DSU, wollen die Christsozialen doch noch einen über Bayern hinausgehenden Kreuzzug wagen. Druck zum bundesweiten Antreten kommt vor allem auch aus den Reihen der östlichen Bruderpartei. „Warum tritt die CSU nicht bundesweit an“, heißt es dort. Und: „Wenn's ihr nicht tut, dann machen's wir“, tönt es selbstbewußt von drüben.

Doch die Erben von Franz Josef haben schon im Hüben genug Probleme, denn der innerbayerische Erosionsprozeß, das Abbröckeln des monolithischen schwarzen Blocks ist in vollem Gange. Das zeigen die Ergebnisse der bayerischen Kommunalwahlen. Wenn die CSU selbst im tiefschwarzen Gnadenort Altötting Federn lassen muß, dann nützt auch keine Wallfahrt mehr. Was der CSU auch auf dem flachen Land derzeit zu schaffen macht, ist nicht zuletzt ihre hilflose Umweltpolitik. Überall regt sich der Widerstand gegen die monumentalen Müllverbrennungsanlagen. Nach wie vor droht den Schwarzen aber auch ein „Abspecken“ durch Rep-Wähler. Das Ausfransen am rechten Rand konnte nicht gestoppt werden. Da half es auch nicht, daß Parteichef Waigel noch so oft die unwürdige Grenzdiskussion anzettelte. Die Reps sitzen jedenfalls in fast allen Städten, Gemeinden und Kreistagen mit am Tisch - bayernweit mit fünf Prozent. Diese Marge reicht aus, um den Schwarzen bei den kommenden Landtagswahlen im Oktober noch mehr Ärger zu machen. Und ob es im Moment besonders geschickt ist, für die CSU einen Bundesfinanzminister zu haben, wird sich auch noch herausstellen. Denn „der Theo helf uns“ wird wahrscheinlich nicht umhin können, im Zuge der Wiedervereinigungskosten etliche unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen. Das wird weitere Wähler kosten. Die alte Straußtaktik, alles auf Bonn abzuwälzen und nach außen hin rumzupoltern, zieht dann nicht mehr. In den Städten wird das Thema Wohnungsnot und steigende Mietkosten, das die CSU bereits in München bluten ließ, immer drängender werden. Aber auch innerparteilich sieht's wenig rosig aus. War der Führungsstil des Monarchen Strauß autoritär, lassen sich die CSU-Schulbuben von Waigel wenig sagen. Und auch die Wunderwaffe Gauweiler kann nicht überall die Lufthoheit über die Stammtische sichern. Neu bei der CSU ist ja auch, daß sie sich, wie beim Kampf um den Münchner OB-Sessel, von vornherein aufs Verlieren einstellt. Und so könnten am Ende dieses Jahres selbst in Bayern Glasnost und Perestroika Einzug halten.

Luitgard Koch