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Sterne, Nebel, Feuerräder - Planetarium total!

■ Eine lange Nacht im Zeiss-Planetarium am Prenzlauer Berg: Rund um den Weltraum, das Foucaultsche Pendel, den Jupiter ganz aus der Nähe und eine totale Sonnenfinsternis über Berlin - einschließlich eines Sprunges in die Zeit vor der Wende

Planetarium total - mit diesem Slogan lockte am Freitag abend das Zeiss-Großplanetarium Berlin. Gut zu erreichen steht es im Ernst-Thälmann-Park, direkt am S-Bahnhof Prenzlauer Allee. Es wurde 1987 für 75 Millionen Mark Baukosten übergeben. Bereits von außen macht das Gebäude einen futuristischen Eindruck, und die High-Tech -Innenausstattung entspricht dann auch tatsächlich den geweckten Erwartungen.

Eine Multivisionsanlage, Zoomprojektoren, Laser sowie einige andere Technik füllen den Planetariumssaal. Selbst an eine Induktionsschleife für Hörgeschädigte und an einen Fahrstuhl für Behinderte ist bei der Projektierung gedacht worden. Wöchentlich sechs verschiedene Programme mit Titeln wie Phantastisches Weltall, Marsflug 2015 oder Sterne, Nebel, Feuerräder sind zu bewundern.

Für Vorträge und Diskussionen stehen das Foyer, das Urania -Forum „Wilhem Foerster“ und ein Klubraum zur Verfügung. Außerdem noch ein kleines Cafe, eine Ausstellung mit wechselnden Themen und astronomischen bzw. optischen Schwerpunkten. Daneben findet sich ein sogenannter „Astro -Shop“ - mit allerdings eher langweiligem Angebot.

Am Treppenaufgang gibt es noch eine originelle Kleinigkeit zu bewundern: Eine raffiniert beleuchtete Glaskugel hängt als Foucaultsches Pendel von der Decke und zeigt in sanften, fast unmerklichen Schwingungen die Erdrotation an. Eine Kartenabreißerin behauptet, daß die Kugel an manchen Tagen stärker schwinge. Ich gab zu bedenken, daß sich die Erde dann aber schneller drehen müsse, worauf sie sich bestürzt und ratlos zeigte. Vielleicht dreht sich die Welt in der DDR seit dem 10. November wirklich schneller und führt so zu den abrupten Veränderungen.

Seit längerem ist man froh, in der Westberliner Wilhelm -Foerster-Sternwarte sowie dem Zeiss-Planetarium West-Berlin gute Partner gefunden zu haben, mit denen man in Zukunft ohne Konkurrenz zusammenarbeiten möchte.

Die Westberliner Pendant-Einrichtung war bei der Veranstaltungsreihe Planetarium total zum ersten Mal mitvertreten und bot einen kleinen Info-Stand im Foyer und Information, Demonstration und Diskussion für Astro-Computer -Freaks im Kleinen Klubraum. Parallel zum Eröffnungsprogramm Phantastisches Weltall im Planetariumssaal, begann im Foyer eine Diskusion zum Thema „Warum hat die DDR keine Nobelpreisträger?“.

Die meisten Besucher zog es jedoch in den Planetariumssaal. Die Show begann mit einem grandiosen Sternenhimmel, sphärischer Musik und phantastisch-farbigen Lasereffekten. Als der Kommentar einsetzte, endete die Reise ins Weltall jedoch abrupt, und die Erde hatte uns mit einem Zeitsprung in die Zeit vor der Wende wieder. Der belehrende Ton, die Feststellung, daß die Sternenbilder ihren Ursprung in der Ökonomie der alten Gesellschaften hätten, zeugen deutlich vom Mief einer ideologisch geprägten sozialistischen Bildungspolitik.

Das Ziel des Planetariums, dem normalen Besucher ein interessantes Wissenschaftserlebnis zu vermitteln, wird zwar erfüllt, doch bleibt die Veranstaltung unter ihren Möglichkeiten. Bis spät in die Nacht zog sich das Programm mit weiteren Veranstaltungen hin, wie zum Beispiel eine Vorführung, die die technischen Möglichkeiten der Multivisions-, Ton- und Laseranlage näher erläutert. Die visuellen Möglichkeiten sind nämlich enorm. Eine totale Sonnenfinsternis oder den Jupiter einmal aus der Nähe zu zeigen, stellt kein Problem dar. Ein Knopfdruck, und da ist er - eine der kleinsten Übungen! Kein Smog über dem Himmel Berlins stört den ungetrübten Blick ins All.

Wer also Lust hat, sich für eine knappe Stunde der fast perfekten visuellen Illusion des Weltraums hinzugeben und nebenbei noch ein typisches Beispiel sozialistischer Bildungspolitik zu studieren, kann bei nächster Gelegenheit das Zeiss-Großplanetarium in Ost-Berlin besuchen.

Nähere Informationen bekommt man unter der Nummer 4300916 in Ost-Berlin oder bei der Theaterkasse Zehlendorf.

Markstein

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