'Radikal'-Urteil radikal kassiert

■ BGH hebt Urteil gegen Szenezeitschrift 'Radikal‘ auf

Berlin (taz) - Eines der umstrittensten Urteile im Zusammenhang mit der Pressefreiheit ist aufgehoben. Der Bundesgerichtshof gab gestern durch einstimmigen Beschluß der Revision der beiden Journalisten Benny Härlin und Michael Klöckner in vollem Umfang statt. Beiden war vorgeworfen worden, als Mitherausheber der Berliner Szenezeitschrift 'Radikal‘ unter anderem für den Abdruck unkommentierter Bekennerschreiben zu politischen Anschlägen verantwortlich zu sein. Damit, so 1984 das Berliner Kammergericht, hätten sie die „terroristische Vereinigung“ Revolutionäre Zellen unterstützt. Trotz massiver öffentlicher Proteste auch von Mediengewerkschaften und Journalistenverbänden verurteilten die Richter Klöckner und Härlin auf Grundlage des Paragraphen 129a zu jeweils zweieinhalb Jahren Haft. Als Gründer und Vereinsvorsitzende einer Zeitungskooperative, die die Zeitschrift 'Radikal‘ herausgab, hatten die beiden zuvor mehrere Wochen in Untersuchungshaft gesessen. Die Untersuchungshaft, die fragwürdige Beweisaufnahme, die sich vor allem auf Observationsberichte geheimer Zeugen stützte, und das Urteil hatten damals über die Bundesrepublik hinaus für Aufsehen gesorgt. Klöckner und Härlin entgingen ihrer Haftstrafe zunächst nur deshalb, weil sie von den Grünen für das Europaparlament nominiert wurden und dadurch den Schutz der Abgeordnetenimmunität genossen. Als das Berliner Kammergericht die Aufhebung dieser Immunität forderte, lehnte das Europaparlament ab, weil es sich eindeutig um ein politisches Urteil gehandelt habe. Nachdem jetzt der Bundesgerichtshof der Revision in vollem Umfang stattgegeben hat, wird das 'Radikal'-Verfahren vor dem Kammergericht erneut aufgerollt werden müssen.

Ve.