Nestle-Vize auf Philippinen ermordet

■ Polizei verdächtigt Neue Volksarmee (NPA) / Konzern vermutet Reaktion auf Entlassungen / Waffenstillstandsangebot der NPA

Manila (afp/taz) - Der Vizepräsident der philippinischen Niederlassung des Schweizer Lebensmittelkonzerns Nestle ist am Mittwoch nach offiziellen Angaben in der Nähe von Manila erschossen worden. Der 38jährige Froilan Pablo sei von vier Männern getötet worden, als er in Cabuyao, wo Nestle eine Fabrik unterhält, an einem Tennisturnier teilnahm. Die Polizei verdächtigt die linksgerichtete Neue Volksarmee (NPA), für den Anschlag verantwortlich zu sein. Eine Nacht vor dem 21.Gründungsjahrestag der NPA wurde das Militär am Mittwoch in Alarmbereitschaft versetzt. Allein in den vergangenen fünf Tagen wurden 22 Personen bei Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der NPA getötet. In einem Kommunique bot die nach offiziellen Schätzungen rund 18.000 Mitglieder zählende NPA der Regierung erneut einen Waffenstillstand an. Bedingung sei die Schließung der US -Militärstützpunkte.

Nach Angaben von „Nestle“ hatte Vizepräsident Pablo mehrfach Morddrohungen erhalten, nachdem das Unternehmen etwa hundert Arbeiter entlassen hatte, die zur linken Gewerkschaft KMU (Bewegung des 1.Mai) gehörten und bis heute um ihre Wiedereinstellung kämpfen. 1987 hatte die Firma mit Aussperrung von Gewerkschaftsfunktionären und Aktivistinnen auf deren Lohnforderung reagiert. Die philippinische Nestle -Niederlassung beschäftigt insgesamt 2.100 Personen und hat einen Jahresumsatz von rund 240 Millionen Dollar. Zwar verdienten die ArbeiterInnen im Landesvergleich recht gut, doch ihr Monatslohn lag mit umgerechnet 237 Franken immer noch deutlich unter der von Communications Research Center errechneten Armutsgrenze von 428 Franken.

Nach zahlreichen erfolglosen Verhandlungsrunden zwischen der Gewerkschaft „Union of Filipro Employees“ (UFE) und dem Nestle-Management lag die Produktion in allen Werken weitgehend still. Nestle feuerte 69 Gewerkschaftsfunktionäre und 34 besonders aktive Gewerkschafterinnen und strengte gegen mehr als 60 Verfahren an. Die Begründung der Firmenleitung: die UFE gehöre dem Gewerkschaftsbund KMU an, der nach Ansicht der Regierung Aquino eine „Massenorganisation der National Democratic Front“ sei, unter deren Führung Guerillieros gegen den philippinischen Staat kämpften.

Die Firma ist zudem für anhaltende Verstöße gegen den Kodex der WHO zur Vermarktung von Muttermilchprodukten bekannt. Durch kostenlose Abgabe von Muttermilchersatz an Krankenhäuser und Entbindungsstationen sowie Geschenke an die Bediensteten sollte eine frühzeitige Gewöhnung an das Produkt erzielt werden. Mindestens 70 Prozent der Fehlernährungen bei Kindern sind nach Angaben des Instituts für öffentliche Gesundheit der Universität Manila auf Flaschennahrung zurückzuführen.

Besichtigung der Hinterhöfe: Reportagen über die Geschäfte der schweizer Multis in Afrika, Asien und Lateinamerika. Rotpunktverlag 1989, Zürich.