„Schule der Solidarität“ braucht Traditionsbewußtsein der Journalisten

■ Dem Internationales Institut für Journalistik drohen Geldprobleme / Nalepastraße kündigt Zusammenarbeit / Finanzierung bisher aus Solifonds des VDJ und Lotterie der Internationalen Journalistenorganisation

Nichts bleibt wie es war. Das Volk der DDR ist in einem Anfall von Besinnungslosigkeit hartnäckig dabei, dieses Motto uneingeschränkt geltend zu machen. Kann sein, daß auch der Solidaritätsgedanke als verstaubtes Souvenir einer schon ziemlich entrückten Zeit vergessen wird. Wie es sich bei konkreten Projekten verhält, ist durchaus Erkundungen wert.

Das Internationale Institut für Journalistik „Werner Lamberz“ in Berlin-Friedrichshagen hat sich seit seiner Gründung 1963 aus Spenden finanziert. Bleiben die in Zukunft aus, droht die ersatzlose Schließung. Eine Variante wirksamer Entwicklungshilfe für die Staaten Asiens, Afrikas, Süd- bzw. Lateinamerikas müßte aufgegeben werden. In den Jahren wurden hier bislang 1.100 Journalisten aus etwa 80 Ländern - von Sri Lanka und Indien bis Nikaragua und Brasilien - ausgebildet. Angesichts oft fehlender Voraussetzungen in der jeweiligen Heimat eine notwendige Unterstützung.

Die weithin vermutete Ideologielastigkeit trifft nicht zu. Die Teilnehmer sind in ihrer ethnischen, politischen und weltanschaulichen Herkunft viel zu verschieden, als daß man ihnen in ein paar Monaten auch nur das ABC des Marxismus halbwegs überzeugend vermitteln könnte. Daher konzentriert man sich fast ausschließlich auf fachliche Fragen. Die Schulung journalistischer Fähigkeiten dominiert, angefangen von Stilistik über Rechercheübungen, Methodentraining bis hin zu Techniklehrgängen. Die UNESCO hat sich alles angeschaut und bezieht das Projekt nunmehr in ihr IPDC -Programm (Internationales Programm zur Entwicklung der Kommunikation) mit ein. Sie beteiligt sich zum Beispiel an den Kosten für Fotografen- und TV-Ausbildung.

Man favorisiert inzwischen eindeutig die Spezialkurse. Fach - und Medienspezifik werden gleichermaßen bedient - ob nun Frauenjournalismus, Leitung und Planung oder eben Agentur, Presse, Rundfunk und Fernsehen. Die Nachfrage ist in jedem Fall größer, als die Möglichkeiten es sind. Neuerdings gibt es auch einen Kurs für Journalistiklehrer.

Wichtiger Faktor bei der Realisierung all dieser Angebote sind Kapazitäten aus der redaktionellen Praxis der hiesigen Medien. Ihre Mitarbeit ist weiterhin gefragt. Absagen, wie die der Nalepastraße für einen vorgesehenen Techniklehrgang im Herbst 1990, sind hoffentlich die Ausnahme.

Das größte Problem für die Zukunft ist zweifellos die Geldfrage. Bisher kamen die Mittel aus dem Solidaritätsfonds des Verbandes der Journalisten, eine weitere wichtige Quelle waren Einnahmen der Lotterie der Internationalen Journalistenorganisation. Momentan beträgt das Jahresbudget der Einrichtung 2,4 Millionen Mark. Der VDJ selbst hat sich zu dieser Verantwortung auf dem außerordentlichen Kongreß Anfang 1990 bekannt. Doch da auch sein Schicksal noch nicht endgültig entschieden ist (möglicherweise Beitritt zu einer IG Medien), sind Überlegungen verständlich, womit das Institut künftigen Finanzsorgen begegnen könnte. „Stiftung“ heißt vermutlich der Weisheit letzter Schluß.

Für den Direktor der „Schule der Solidaritiät“, Dr. Klaus Vieweg, steht fest, daß Entwicklungshilfe für die Dritte Welt immanenter Bestandteil jeglicher Regierungspolitik sein muß. Insofern wären dann auch staatliche Zuschüsse zu erwarten. Eine vergleichbare Einrichtung - sowohl, was das Profil als auch die Teilnehmer betrifft - befindet sich in der Westberliner Budapester Straße. Das dortige Institut wird beispielsweise vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit finanziert.

In Friedrichshagen versucht man derweil, eigene Möglichkeiten auch kommerziell zu nutzen. So wird das Gästehaus (Internat) für Devisen-Publikum zeitweise geöffnet. Auch das Sprachkabinett soll an Interessenten vermietet werden. Insgesamt bringt all das aber nicht mehr als das nötige „Taschengeld“, um zum Beispiel Exkursionen oder die erforderliche Erweiterung und Aktualisierung der hauseigenen Bibliothek bezahlen zu können.

Es wäre sicher verfrüht, das Ende des Internationalen Instituts für Journalistik zu prophezeien. Eine Gefährdung aber läßt sich erkennen. Es ist offen, ob Pressefeste mit ihren großen Lotterien und die jährliche Soliaktion der Berliner Journalisten auf dem Alexanderplatz weiterhin stattfinden und damit die entsprechenden Mittel für das Institut zur Verfügung stehen. Zuallererst sind da die moralischen Qualitäten dieses Berufsstandes selbst gefordert. Wenigstens in diesem Punkt wäre der Zunft Traditionsbewußtsein zu wünschen.

Lea Kramer