Haarige Zeiten für das Kürschnerhandwerk

Durch die Kritik der Tierschützer ist die Branche mittlerweile vom Aussterben bedroht / Pelz-Nachfrage seit fast zehn Jahren rückläufig / Fachschulen völlig unterbelegt  ■  Von Georg Heitmann

Wieder einmal haben sich die rund 1.900 Kürschnerbetriebe in der Bundesrepublik gehörig das Fell verbrannt. Um satte 18 Prozent sackte der Umsatz - dem Trend der Vorjahre entsprechend - in den Keller. Geradezu beschwörend verweisen die PR-Strategen des Deutschen Pelz-Instituts (DPI) auf die Serie milder Winter. Doch die Talfahrt der traditionsreichen Zunft der Pelzverarbeiter und -händler begann schon, als der Pelz auch als wärmende Bekleidung genutzt werden konnte.

1980 noch war die Bundesrepublik Deutschland - auch in absoluten Zahlen - das größte Pelzverbrauchsland der Welt, noch vor den USA und Japan. Bei über 50 Prozent bundesdeutscher Frauen gehörte Haariges von Nerz, Fuchs oder Robbe zur winterlichen Grundausstattung. Doch schon damals war das edle Image des Pelzes längst angekratzt.

Mitte der siebziger Jahre hatte die breite Diskussion um den Artenschutz begonnen. Bilder und Zahlen von der rasanten Ausrottung bedrohter Tierarten brachten die Nation ins Schwitzen; Promis wandelten, demonstrativ in Webpelze gehüllt, durch den Winter. Endgültig vorbei mit den gewohnten Zuwachsraten war es 1981. Das Deutsche Pelz -Institut registrierte einen „allgemeinen Wertewandel“ und „Verunsicherung der Verbraucher durch gewisse Tierschutzgruppierungen“. Neben der andauernden Artenschutzdiskussion hatten die weltweiten Aktionen gegen das Massenschlachten von Jungrobben einen nachhaltigen Wandel im Bewußtsein von Millionen von Verbrauchern bewirkt. Ein harter Schlag für die bundesdeutsche Kürschnerbranche, denn 60 bis 80 Prozent der Jungrobbenfelle wurden allein in der BRD zu Mänteln, Kinderspielzeug, Stiefeln, Taschen und anderem modischen Accessoire verarbeitet.

Die kanadische Regierung schlug zurück, traf aber die treue Kundschaft der westdeutschen Pelzimporteure und Kürschner. Mit einer aufwendigen Anzeigenkampagne in bundesdeutschen Blättern hatten die Kanadier versucht, sich vom Image brutaler Massenschlächter reinzuwaschen und dem Pelzexport den Ruch schäbiger Dealerei zu nehmen. Der Effekt: Die öffentliche Diskussion wurde zum Entsetzen der distinguierten Kürschner-Zunft weiter angeheizt, potentielle PelzkäuferInnen zusätzlich „verunsichert“. Waren in der Bundesrepublik Jahr für Jahr 300.000 bis 400.000 Seehundfelle verkauft worden, so sank die Zahl bis Mitte der Achtziger wegen mangelnder Nachfrage und partieller Import -Stopps auf Null.

Die Boykottaktionen gegen Robbenfelle hatten die Öffentlichkeit für ein Problem neu sensibilisiert, das die Kürscher und ihre Zulieferer auch nach der Verabschiedung des Washingtoner Artenschutzabkommens 1976 nie ganz hatten abhaken können: die Einfuhr von Wildfellen. Konnten sich viele in den ersten Jahren nach der Ratifizierung noch problemlos über Umweg-Einfuhren versorgen, mußten sie nun die Importe rapide reduzieren. Nach DPI-Angaben sank die Zahl der eingeführten Ozelotfelle von 25.500 im Jahr 1980 bis 1986 auf knapp 300. Ab 1987 sollen keine Ozelots und lediglich zwölf Felle vom Wolf in westdeutsche Kürschnerbetriebe gelangt sein. Ähnliche Relationen und Minimalzahlen gälten auch für die anderen Gattungen.

Doch die Aktionsgemeinschaft Artenschutz (AGA) gelangte 1988 an Dokumente aus den Landwirtschaftsministerien in Bolivien und Spanien, die belegen, daß westdeutsche Fellimporteure mit großen Mengen von Rohfellen geschützter Wildtiere wie dem Ozelot gehandelt hatten. Die AGA stellte Strafanträge und veröffentlichte die heißen Papiere. Die Reaktion der Branche, die im gleichen Jahr - nach eigenen Angaben - ein Umsatzminus von über einer Milliarde Mark gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen hatte, war kennzeichnend für ihre Verfassung. Provokateure des noblen Pelz-Instituts versuchten, als Journalisten getarnt, auf einer Pressekonferenz der Grünen zum Thema Artenschutz im Hessischen Landtag, den AGA-Vorsitzenden zu einer Aussage zu verleiten, mit der er gegen eine Einstweilige Verfügung verstoßen hätte.

Informationskampagnen und Boykottaktionen zahlreicher Tierschutzgruppen zehren weiter an Image und Umsatz der einst so piekfein sich gerierenden Kürschner-Zunft. Vornehme Zurückhaltung ist abgesagt. Entsprechend haarig sind die Formulierungen eines DPI-Rundbriefes an „alle Betriebe des Kürschnerhandwerks, der Rauchwarenwirtschaft und der gesamten Pelzbranche in der Bundesrepublik“. Unter dem Titel Kampf ums Überleben heißt es darin: „Wir sind das Ziel von Agitation und Gewalt. Pelzbesitzer und potentielle Käufer fühlen sich einer Indoktrination bis hin zum Gesinnungsterror ausgesetzt.“ Die juristische Strategie gegen Kritiker der Branche wird in dem Pamphlet beschrieben als „Enttarnung und Bloßstellen der sogenannten autonomen Gruppen der Anarcho- und Terrorszene“, und angekündigt wird eine „juristische Beratung und Vertretung mit Biß“.

Aber auch die letzten verzweifelten Bemühungen scheinen fehlzuschlagen. Beispiel Farmhaltung: Bundesdeutsche Kürschner verweisen gern darauf, daß mit sieben Millionen Fellen rund 44 Prozent aller Importe aus der angeblich artgerechten Farmhaltung stammen. Umsatzrenner wie Nerz und Fuchs werden vorwiegend aus den etwas 13.000 skandinavischen Betrieben angeliefert, die auch Nutria, Finn-Raccoon, Iltis und Chinchilla in Käfigen züchten. Doch Bilder und Berichte von Massenvergasungen schlachtreifer Tiere torpedieren den Kampf um den schönen Schein - regelmäßig zur Wintersaison. Wenig gebracht haben auch PR-Kampagnen, mit denen die Jagd auf Bisam, Rotfuchs, Wildkaninchen und Waschbär als Beitrag zur ökologisch notwendigen Schädlingsbekämpfung verkauft werden soll. Auf fünf Millionen Fellen, das entspricht 31 Prozent der Einfuhren, bleibt weiter der Makel der Ausrottung zu Profitzwecken haften. Und auch für das sogenannte „Fellwerk von der grünen Wiese“ wie Schaf, Persianer und Karakul finden immer weniger KäuferInnen.

Die Folge: Viele Kürschnerbetriebe stehen vor dem finanziellen Kollaps. Nach der Rezession zu Beginn der Achtziger war 1985 und 1986 zumindest der Einzelhandelsumsatz leicht angestiegen. 1987 sank er wieder

-um eher läppische zwei Prozent -, bis er seit dem darauffolgenden Jahr zweistellig abstürzte. Die Zahl der Kürschnerbetriebe ist von 2.125 im Jahr 1980 auf weniger als 1.900 geschrumpft. Rund 14 Prozent weniger Beschäftigte nähen seit 1980 in den Ateliers an immer weniger Pelzen. Fachleute schätzen, daß in den nächsten drei Jahren 50 Prozent aller Kürschnerbetriebe werden schließen müssen. Fachschulen für die Auszubildenden sind völlig unterbelegt.

Neue Perspektiven sieht kaum einer. Wenige setzen auf Lederbekleidung oder Webpelze. Denn deren Statuswert ist weit geringer, und mangelnde Exklusivität bedeutet erheblich niedrigere Gewinnspannen. Außerdem könnten sich die Kürschner bei diesen Artikeln kaum gegen die Konkurrenz der Kaufhäuser behaupten. So schwimmen der Zunft schlicht und einfach die Felle davon.