Werden die DDR-AbiturientInnen quotiert?

Der Streit um die Hochschulreife geht weiter / Gesamtdeutsche SPD-Bildungskonferenz verlangt Anerkennung des DDR-Abiturs / Kultusministerkonfernz will Ende April über die Frage beschließen / Begrenzung für Numerus-clausus-Fächer als Kompromiß  ■  Aus Hannover Jürgen Voges

Die Anerkennung des DDR-Abiturs in der BRD hat gestern die erste gesamtdeutsche Konferenz von SPD-Bildungspolitikern verlangt, zu der sich in Hannover die bildungspolitischen Sprecher der SPD, die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokraten im Bildungswesen und die Bildungskommission der DDR-SPD vereinigt hatten. Auch nach den Vorstellungen der SPD -Bildungspolitiker soll es allerdings in bundesdeutschen Numerus-clausus-Fächern zukünftig eine Quotenregelung für Bewerber aus der DDR geben. Nach einer solchen Regelung würde in NC-Fächern - wie in Berlin - jeweils ein gleich großer Anteil Studienbewerber aus BRD und DDR zugelassen.

Die SPD-Bildungsexperten aus der DDR, an ihrer Spitze die stellvertretende Parteivorsitzende Angelika Barbe, lehnten in Hannover strikt die Sperrung bundesdeutscher Hochschulen für DDR-AbiturientInnen ab, die von den Ländern Bayern, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen beschlossen wurde. Die DDR -SPD verlangt statt dessen die weitere „vorbehaltlose Anerkennung des DDR-Abiturs in der BRD“. Die DDR -Sozialdemokraten zeigten allerdings Verständnis für Konkurrenzprobleme in NC-Fächern. Der Kultusministerkandidat der niedersächsischen SPD, Rolf Wernstedt, hatte schon eingangs der Konferenz die harten Reaktionen gegen AbiturientInnen aus der DDR als „absehbar“ bezeichnet. Die Zensurenpraxis der DDR-Schule benachteilige in den NC -Fächern eindeutig die Bewerber aus der Bundesrepublik, sagte Wernstedt. Die Quotenregelung, auf die sich die Bildungspolitiker aus BRD und DDR schließlich geinigt haben, könne nur „eine Übergangsregelung“ sein. Auf lange Sicht müsse auch in der DDR das 13. Schuljahr eingeführt werden. Andernfalls müßten DDR-AbiturientInnen vor einem BRD-Studium wieder Sonderlehrgänge besuchen.

Mit dem Hinweis auf den weitaus besseren Notendurchschnitt von DDR-AbiturientInnen hatte am vergangenen Dienstag auch das niedersächsische Landeskabinett die „Aussetzung der Anerkennung des DDR-Abiturs“ beschlossenen, nachdem in der Woche zuvor schon Bayern und Rheinland-Pfalz ihre Hochschulen für DDR-BewerberInnen dichtgemacht hatten. Aktuell betroffen von der Nichtanerkennung sind allerdings nur noch solche aus der DDR, bei denen der Notendurchschnitt für die Immatrikulation keine Rolle gespielt hätte. Denn für das kommende Sommersemester an BRD-Hochschulen kann man sich jetzt ohnehin nur noch in Fächer ohne Zulassungsbeschränkung einschreiben.

Modelle für ein künftiges Zulassungverfahren für DDR -StudentInnen hat inzwischen auch eine Arbeitsgruppe der Kultusministerkonferenz der Länder zusammengestellt. Nach Angaben der Bonner KMK-Geschäftsstelle ist neben der von der SPD favorisierten Quotenregelung auch das sogenannte Nachbesserungsmodell in der Diskussion. Nach diesem Modell hätten DDR-AbiturientInnen vor einem Studium in der BRD noch Ergänzungskurse und eine anschließende Prüfung zu absolvieren. Als dritte Möglichkeit hat sich die KMK -Arbeitsgruppe mit der „Malus-Regelung“ befaßt, bei der die Abi-Noten von DDR-BewerberInnen für NC-Fächer auf den schlechteren bundesdeutschen Zensurendurchschnitt umgerechnet werden. Eine solche Regelung hatte zuletzt das Bundesland Hessen vorgeschlagen. Die Sonderkonferenz der Kultusminister der Länder, die endgültig über das Zulassungsverfahren entscheiden soll, wird wahrscheinlich in der letzen Aprilwoche tagen.

In Ost-Berlin haben inzwischen zum zweiten Mal mehrere hundert SchülerInnen für einen freien Zugang zum Universitätsstudium mit einem Marsch durch die Ostberliner Innenstadt demonstriert. Ein Drittel aller StudienbewerberInnen wird von den DDR-Hochschulen abgelehnt. Das neue DDR-Bildungsgesetz hat die Auslese von der Zulassung zum Abitur auf den Hochschulzugang verlagert. Mit dem Gesetz wurde zwar der früher strikt an den verfügbaren Studienplätzen ausgerichtete Zugang zum Abitur freigegeben, mehr Plätze an den Hochschulen wurden dadurch jedoch nicht eingerichtet.