Im Kampf gegen zwei Bürokratien

■ Selbsthilfe im Altbau in Ost und West: Betroffene und Bürokraten aus beiden Stadthälften diskutierten im Werkhof Zehlendorf Status quo und Zukunft der Instandsetzung von Wohnraum / Wer kriegt was von wem am Prenzlauer Berg - und wer bleibt dabei auf der Strecke?

Über die Zukunft der baulichen Selbsthilfe in Ost und West diskutierten Freitag und Samstag gut zweihundert Männer und ein paar Dutzend Frauen auf Einladung des Arbeitskreises Selbsthilfe im Werkhof Zehlendorf. Während sich die Selbsthilfe im Westen unaufhaltsam von einer Besetzerdomäne zu einem Schöner-Wohnen-Programm für den Mittelstand entwickelt, setzt man im Osten noch große Hoffungen auf die Eigenarbeit an marodem Gemäuer. Denn die zentralistische staatliche Wohnungswirtschaft, die KWV (Kommunale Wohnungsverwaltung), produzierte allein in Ost-Berlin Zehntausende von leerstehenden, baufälligen Wohnungen.

Die Diskussion darüber entwickelte sich rasch vom Abstrakten ins Konkrete - nämlich hin zum 25-Millionen -Westmark-Programm von Bausenator Nagel (SPD). Der wollte damit Ansätze zur baulichen Selbsthilfe am Prenzlauer Berg und in der Stadtmitte fördern. Nun, so befürchteten Vertreter von Initiativen, gehe das Geld an ihnen vorbei, und nur die ungeliebte staatliche KWV profitiere davon. „Die Bürgerinitiativen werden kaputtgemacht, weil das so kompliziert ist mit der Geldvergabe“, sagte eine Frau von der BI Oderberger Straße am Prenzlauer Berg. Sie verlangte verbindliche Auskunft vom Senat, wie und wann die 25 Millionen aufgeteilt werden. Die freilich blieb aus. „Der Bausenator hat das Programm ohne auch nur einen Anschein von Konzept aufgelegt“, kritisierte AL-Vertreter Volker Härtig. Auch Leute der Bürgerinitiative Scheunenviertel beschwerten sich. Denn die Initiative hat den Eindruck, die Projekte der Westberliner DeGeWo, die drei Häuser drüben sanieren wird (die taz berichtete), würden gegenüber ihren eigenen Häusern bevorzugt. „Die KWV gibt uns nicht einmal für ein Haus Nutzungsverträge und auch nicht die Unterlagen, um die Eigentumsverhältnisse zu klären, so daß wir nicht anfangen können zu bauen“, hieß es. Die westliche landeseigene DeGeWo hingegen habe grünes Licht zum Griff nach den 25 Millionen bekommen - obwohl auch bei ihren Projekten die Eigentumsverhältnisse nicht geklärt seien. „Dabei wurden bei dem DeGeWo-Haus in der Marienstraße, das groß durch die Presse ging, bisher nur das Baumaterial in den Flur gestellt und sonst kein Handschlag getan“, ärgerte sich eine Ostberlinerin.

Auf Unmut stieß bei den BIs auch, daß zwar westliche Stellen, etwa der Bausenator, aber auch die Sanierungsberater Büros vor Ort bekommen, DDR-Initiativen aber von den KWVs gesagt werde, es gebe keine freien Läden. „Die Selbsthelfer hier im Westen haben mit den gleichen Bürokraten Probleme, die sich jetzt drüben breitmachen“, sagte ein Kreuzberger Mieterberater. Man solle keine „Selbsthilfe im Osten für westliche Architekten und Stadtplaner finanzieren“, brachte es eine Kollegin auf den Punkt.

Wenig Hoffungen setzten die östlichen Selbsthelfer in die eigenen Bürokraten. Magistratsfrau Buchholz aus Ost-Berlin, für Wohnungsvergabe zuständig, erklärte auf der Tagung, sie habe gestern zum ersten Mal das Wort „Selbsthilfe“ in Zusammenhang mit Bau gehört. „Bis jetzt hatten wir keinen Kontakt zu dem Problem der Bürgerinitiativen“, sagte sie. Es sei fraglich, ob man mit Selbsthilfe die Wohnungsprobleme junger Familien lösen könne. Man wolle nicht, daß die „Leute aus West-Berlin rüberkommen und unsere Häuser besetzen“, sagte Frau Buchholz. Man habe ohnehin den Eindruck, die Westler wollten sich auf „unser Gebiet ausdehnen“. „Die Unterstützung für unsere BIs kam nur aus dem Westen, nicht von unseren Behörden“, hielt ihr eine Ostberlinerin entgegen. Auch Bürgerinitiativler aus Potsdam beschwerten sich, daß Informationen von den dortigen Behörden und der Gebäudewirtschaft nur „hinter verschlossenen Türen“ gehandelt werden.

Der Bausenator kam zur Diskussion gegen Abend und hielt die Stellung. Von den 25 Millionen gehe „kein Pfennig an die KWV, schon gar kein Westgeld“ meinte er. Die Bürgerinitiativen müßten eben ihre Kommunikationsprobleme bewältigen. Dafür könne der Bausenator nichts. Selbsthilfe werde vor allem eine Zukunft im Osten haben, im Westen sei die Selbsthilfe wenn, dann im Neubau ausbaufähig.

Eva Schweitzer