Technik ist keine Hürde

■ Carin Levine in der Hochschule für Künste

Eine bündige Präsentation Neuer Musik für Querflöte solo war jüngst in der Hochschule für Künste zuhören. Nebst zwei „Klassikern“ (Bach und Faure), die jedoch nur als Füllsel fungierten, stellte Carin Levine Werke von Komponisten aus vier unterschiedlichen Nationen vor. Der 1988 verstorbene italienische Adlige Giacinto Scelsi um den es noch im letzten Jahr so großes Aufsehen gab, nachdem behauptet worden war, daß alle seine Stücke von Ghostwritern stammen - war gleich zweifach vertreten: mit „Pwyll“ und „Quays“, letzteres für Altflöte. Den ruhigen, in sich gekehrten Ausdruck der kurzen, sehr melodischen Passagen, die nur bisweilen von dezenter Unruhe abgelöst werden, konnte die Solistin nicht ohne Spannungsverluste entfalten. Das mochte allerdings auch

an der Atmosphäre liegen, die im Foyer der Hochschule immer ein wenig improvisiert wirkt, und gerade die Musik des Mystikers Scelsi benötigt ein adäquates Klima, wenn sie richtig gedeihen soll. „Cassandras Dream Song“, von dem Engländer Brian Ferneyhough läßt allein wegen der Komplexität der Komposition kaum eine angemessene Schilderung zu. Der konzentrierten Interpretation konnte man nicht nur anhören, sondern auch ansehen, welch extreme Anforderungen spieltechnischer Art vom Aufführenden verlangt werden. Technik ist keine Hürde für Carin Levine, wie die Wiedergabe des permanent in fiebrige Hektik fallenden „Dream Song“ bewies.

Anders „T'Aire“ des deutschen Tonsetzers (und bekannten Klarinettisten) Heinz Holliger. Wie so häufig bei ihm eine Musik,

die sich in Krämpfen windet. Eine Gratwanderung zwischen Tod und Überleben, die Agonie des Ausdrucks, der immer am Rande des Verstummens aufbegehrt, in erstickende oder guttural zerquetschte Laute umkippt.

Zum Schluß dann ein Vertreter aus dem Land der großen Freiheit: Steve Reich. „Vermont Counterpoint“ für Tonband und Flöte, eine mehrere Minuten dauernde Orgie minimalistischer Motivüberlagerungen, nahm sich gegenüber den anderen Stücken dann sehr läppisch aus. Anfangs vermag so etwas noch das Interesse der Hörer heraufbeschwören, mit penetrant zunehmender Ereignislosigkeit jedoch verliert man die Orientierung.

Abgesehen von dem „klassischen“ Lapsus, ein exzellentes Konzert einer hervorragenden Interpretin.

H. Schmidt