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Die drei Umstellungskurse müssen nicht genau gleich sein

■ Bundes- und Staatsbank zwischen Betriebsschulden, Sparguthaben, Löhnen und Renten

Nach dem Paukenschlag der letzten Woche beginnt die Diskussion um den Umstellungskurs nun differenzierter zu werden. Zwar hat der Zentralbankrat einen generellen Umtausch von 2 Mark (Ost) auf 1 Mark (West) als „unerläßlich“ bezeichnet. Notwendig ist er aber in den drei entscheidenden Teilbereichen - Betriebsschulden, Sparguthaben und persönliches Einkommen - nicht, auch wenn es Verknüpfungen gibt.

Da ist zunächst die Frage der Betriebsschulden. Dem Jahresbericht der DDR-Staatsbank für 1989 ist zu entnehmen, daß die Betriebe bei ihr mit 260 Milliarden Mark in der Kreide stehen. Der Löwenanteil, 242 Milliarden Mark, ging in die volkseigene Wirtschaft, der Rest an Genossenschaften und Privatbetriebe. Die VEBs zahlten 27 Milliarden Mark an Zinsen zurück. Einleuchtend ist, daß ein Kurs von 1:1 die Betriebe in die Knie zwingen würde. Ihre Startchancen in den Kapitalismus sind um so besser, je geringer der Wert dieser Schulden in der Währungsunion sind. Bei 2:1 betrügen sie immer noch 130 Milliarden (D-)Mark.

Zwar heißt es in einem kleinen Vermerk der Staatsbankstatistik: „Diese Kredite sind durch materielle Objekte bzw. Forderungen gedeckt“, und sicherlich ist die DDR-Wirtschaft insgesamt mehr Wert als ihre Verschuldung. Auf einzelne Betriebe gesehen, dürften diese Anmerkungen jedoch westdeutschen Betriebsprüfern ein heftiges Runzeln auf die Stirn treiben. Ganz unklar ist, ob nicht Betriebe schon deswegen schließen müssen, weil sie überschuldet sind und ihre Zinsen nicht mehr bezahlen können. Angesichts dessen wird in der BRD bisweilen gar ein Umtausch von 1:0 gefordert - heißt: völlige Entschuldung.

Daß die Bundesbank das nicht zulassen will, hat einen einfachen Grund. In der Bilanz der Staatsbank werden die Kredite im wesentlichen durch die Einlagen gedeckt, größter Einzelteil sind also die Sparguthaben von insgesamt 174 Milliarden Mark. Unter buchhalterischen Gesichtspunkten müßte die Umstellung zum gleichen Kurs erfolgen. Ansonsten käme auf die Staatsbank eine riesige Schuldenwelle zu. Die Ausnahme, Sparguthaben in Höhe bis zu 2.000 Mark zum Kurs von 1:1 eintauschen zu können, bedeutet bereits rund 34 Milliarden neue D-Mark. Bei diesen Relationen wird auch deutlich, warum der Bargeldumtausch in der Debatte eine so geringe Bedeutung hat: Er beträgt nur 17 Milliarden DDR -Mark.

Genau besehen, ist nun die Ausweitung des 2:1-Kurses auf Löhne, Gehälter und Renten nicht zwingend; Kompromisse sind deswegen möglich. Die Verknüpfung ist eine doppelte: Niedrige Lohnkosten sollen gegen Überschuldung und drohende Pleite schützen. Fällt die Kaufkraft der DM-Löhne,

-Gehälter und -Renten aber unter das bisheriges Niveau, beginnt der Andrang auf das Ersparte.

Ohne zusätzliche Sozialleistungen wird der 2:1 -Umstellungskurs für die persönlichen Einkommen deswegen nicht zu machen sein. Und unabhängig von der Frage, wer diese Leistungen eigentlichen bezahlen soll, taucht noch gleich ein weiteres Problem auf: Wenn schon der Sozialhilfesatz im Westen eine deutlich höhere Kaufkraft verbürgt, helfen Durchschnittsrechnungen auch nicht weiter Hunderttausende könnten die Armutsgrenze dann wieder Richtung BRD überschreiten.

diba

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