Frust auf allen Ebenen

In der DDR herrscht überall Frust. Ob in den Kollektiven, bei der Gewerkschaft oder den Direktoren. „Eine riesengroße Enttäuschung“, so lautet die allgemeine Reaktion auf den Beschluß des Zentralbankrates in Frankfurt am Main, den generellen Umtauschsatz bei der Währungsunion auf 2:1 festzulegen.

Das sei nun die Rechnung, die uns die Wahl gebracht habe, meint Hans-Joachim Werner, Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL) im „Centrum“, dem größten Kaufhaus der DDR am Alexanderplatz. Eine Halbierung der Löhne, die ohnehin schon nur ein Drittel bis ein Viertel der bundesdeutschen betragen, sei einfach unakzeptabel. „Das ist dann fast gar nichts mehr und eine Mißachtung unserer Arbeit.“ Auf der Vertrauensleutevollversammlung werde dies garantiert ein Thema sein, denn so könne man das nicht hinnehmen.

Unterschiedlicher fallen die Reaktionen hinsichtlich der Spareinlagen aus. Hier ist man offenbar eher bereit, Abstriche zu machen. Ein Umtauschsatz von 1:1 für einen bestimmten Teil des Gesparten, wobei aber 2.000 Mark die unterste Grenze sind, und den Rest einfrieren, das ist für einige durchaus akzeptabel. Anderen Kollegen ist das alles nicht so wichtig, da sie ohnehin nicht soviel Geld haben.

Ähnlich sind die Auffassungen bei den Kollegen der Berliner Verkehrsbetriebe. Ihr Votum gehört eindeutig einem Verhältnis von 1:1, vor allem bei den Löhnen, Gehältern und Renten. Sollte dies nicht geschehen, werde die Belegschaft sich ihre Rechte erkämpfen, sagt Matthias Feldmann vom gerade erst gewählten Gewerkschaftsrat gegenüber der taz. Dieses Gremium, das die gesamte Belegschaft vertritt und von der Betriebsleitung anerkannt ist, unterstützt deshalb auch den Aufruf des Gewerkschaftsvorstandes in der 'Tribüne‘. Dort heißt es unter der Schlagzeile „Protest gegen Währungsspekulation“, daß die bei der Wahl abgegebenen Versprechen jetzt von den Wählern mit Nachdruck eingefordert werden. Sparguthaben, Löhne, Renten könnten nur im Verhältnis von 1:1 umgetauscht werden. „Angesichts des großen Einkommensgefälles zwischen BRD und DDR brächte dies nur ein Minimum des versprochenen Ausgleichs und bedeutet keine Gleichstellung.“ Der geschäftsführende Vorstand bereite gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen vor.

Auch der Direktor des Hauptbetriebes Straßenbahn, Jakob, meint, daß man doch im Wahlkampf vorsichtiger hätte sein können, wenn das versprochene Geld nicht da sei. Man mache ja die Leute ganz wuschig, erst so, dann so. Die Konsequenzen für seinen Betrieb kann er noch nicht absehen, aber sinkende Löhne und steigende Fahrkosten, das gehe nicht auf.

Auch für Bernd Schochow, stellvertretender Betriebsleiter der Speisewagengesellschaft Mitropa, sind die Folgen nicht absehbar. Er gehe davon aus, daß dies nicht das letzte Wort sei und es noch andere Regelungen geben werde. Persönlich halte er die ganze Sache für einen „Wahlschwindel“. Seine Kollegin Brigitte Lehmann aus der BGL: „Die meisten sind gegen den Umtauschkurs. Alle sagen, das kann nicht sein, wir würden ja am Existenzminimum leben. Unsicherheit macht sich breit.“

Massive Proteste in der DDR werden bei dem angekündigten 2:1-Kurs nicht ausbleiben. Trotzdem behaupten westdeutsche Wirtschaftsexperten wie Hans-Karl Schneider weiterhin, daß dieser Kurs für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes günstiger sei, da so eine Erhöhung der Betriebskosten vermieden werden könne. Dies würde die Attraktivität für andere Länder und auch für die Bundesrepublik stark erhöhen. Daß dem wahrscheinlich aber eine soziale Talfahrt vorausgeht, scheinen die Menschen hier langsam zu spüren.

Anja Baum, Ost-Berlin