Die Stroessner-Konten sind noch nicht angetastet

Paraguay ein Jahr nach dem Operettenputsch: Exiliert oder untergetaucht ist der Zugriff der früheren Machthaber auf die Guthaben immer noch nicht verhindert  ■  Aus Asuncion Gaby Weber

Ein gutes Jahr nach dem Operettenputsch ist die Welt für Paraguays Industrielle wieder in Ordnung: Die neue Regierung von General Andres Rodriguez hat Korruption und Schmuggel eingeschränkt, den Dollar freigegeben und durch Zoll- und Steuerbefreiungen die Unternehmer begünstigt. Der Export von Soja und Baumwolle erreichte nie dagewesene Rekorde, die Inflation wird kontrolliert, Energie ist im Überfluß vorhanden, und aus Japan hagelt es Investitionen in Millionenhöhe. Für dieses Jahr sagt die Zentralbank ein Wachstum von 7,4 Prozent voraus. „Es geht voran“, feiert die deutsch-paraguayische Handelskammer das neoliberale Modell.

Nicht voran geht es hingegen mit den Prozessen gegen die früheren korrupten Machthaber. Die Bauernorganisationen fordern, die acht Millionen Hektar Land zu enteignen, die die Stroessner-Kamarilla in den 35 Jahren ihrer Diktatur gestohlen hat; dann sollen sie an die landlosen Bauern verteilt werden. Kredite für Saatgut und für technische Ausbildung könnten finanziert werden, wenn sich die neue Regierung bemühen würde, wenigstens einen Teil der unterschlagenen Millionen zurückzubekommen.

Aber dafür fehlt der politische Wille. Die Verantwortlichen für 35 Jahre Korruption, Folter und Mord wurden bisher nicht zur Rechenschaft gezogen. Nur ein paar kleine Fische sitzen im Gefängnis und berufen sich darauf, Befehle ausgeführt zu haben.

„Über ein Jahr, das ungenützt verstrich, reichte aus, um die unterschlagenen Millionen auf andere Namen umzuschreiben oder im Ausland zu verstecken“, zieht Abilio Rolon verbittert Bilanz. Der Rechtsanwalt hatte während der Diktatur unter dem Dach des Kirchenkomitees Schutz gesucht, denn er war einer gefährlichen Nebentätigkeit nachgegangen: Er hatte, da es sonst niemand tat, auf eigene Faust die Korruption recherchiert. Einen Werktag nach dem Putsch präsentierte er seine Beweise einem Ermittlungsrichter: Kopien von Kontoauszügen, gefälschte Abrechnungen, Bestechungsgelder. Beliebt machte er sich bei den neuen Machthabern dadurch nicht, in den letzten 14 Monaten hat er schon dreimal im Gefängnis gesessen.

Der Stroessner-Clan hatte sein Vermögen nicht nur im florierenden Schmuggel gemacht. Er strich auch die Gebühren ein, die für die Benutzung der Landstraßen und der Flughafenhallen erhoben wurden. Mit gefälschten Importbescheinigungen ließ er sich von der Zentralbank Dollars zum halben Preis zuteilen, die umgehend auf der Straße schwarz getauscht wurden. Allein dadurch entstand dem Land ein Schaden von über einer Milliarde Dollar. Für Gesundheitszentren und Brunnen in entlegenenen Ortschaften wurden viele Millionen abgerechnet - nur gebaut wurde nichts. Hilfsgelder für die Ausrüstung zweier Krankenhäuser wanderten komplett in seine Tasche.

Warum Rodriguez die Prozesse nicht vorantreibt? Nun, sagt Rolon, die Familien Stroessner und Rodriguez seien über die Heirat ihrer Sprößlinge verwandt. Ist nicht Rodriguez mindestens ebenso reich wie Stroesser? An diesem Punkt wird Rolon einsilbig: „Ich habe mich entschieden, die Herkunft des Rodriguez-Vermögens besser nicht zu recherchieren.“

Rodriguez besitzt nicht nur ein Schloß, sondern auch die Wechselstubenkette „Cambio Guarani“ und viele andere Unternehmen und Estancien, ausgedehnten Grundbesitz. An die Auslandskonten des Stroessner-Clans will er sich nicht heranwagen. Ein Antrag auf Sperrung der Konten und Herausgabe der durch Korruption und Unterschlagung erlangten Gelder muß von der legitimierten Regierung gestellt werden. Im Falle des philippinischen Diktators Marcos hatten die Banken dem Begehren der Regierung von Corazon Aquino stattgegeben. Doch bei der derzeitigen Regierung, glaubt Rolon, fehlt das Interesse. Vielleicht, wird spekuliert, haben sich die Gentlemen hinter den Kulissen auch längst geeinigt.

Die Stroessner-Konten waren über die ganze Welt verteilt, etwa bei der Deutschen Bank, der Citibank oder auch der Schweizerischen Bankgesellschaft. Auf den Namen von Alejandro Caceres, dem Chef von Radio Nacional, sei ein Teil der Gelder deponiert worden, heißt es in der Anzeige von Rechtsanwalt Rolon. Caceres (offizielles Monatseinkommen: 300 Dollar) unterhielt bei der Deutschen Bank in Asuncion das Konto 95318 mit 150.000 Dollar. Von diesem Konto sollen regelmäßige Überweisungen an die Niederlassung der Deutschen Bank auf den Kayman-Inseln in der Karibik getätigt worden sein. Auch darüber legte er den Richtern die Belege vor. Bei der „Union de Banques Suisses“ hatte Caceres zwei Dollar -Konten, die die Nummern 244.103-60D und 256.132-60 trugen. Kontostand im Januar 89, laut Rolon: elf Millionen Dollar. Bevollmächtigter und Koordinator der Stroessner-Kasse war Gustavo Gramont, ehemaliger paraguayischer Botschafter in Genf.

Caceres und Gramont sind flüchtig, Stroessner lebt seelenruhig im brasilianischen Exil. Und der Rechtsweg in Asuncion ist zäh. „Es sind dieselben Richter von früher, die absichtlich fehlerhafte Anträge formulieren“, vermutet Rolon. Den Kontenbewegungen bei der Deutschen Bank in Asuncion sind sie noch nicht nachgegangen. Und seit einem Jahr läuft das auf seinen Antrag eingeleitete Verfahren auf Beschlagnahmung von Stroessners Schweizer Konten, aber die Eidgenossen finden immer wieder Formfehler. Wenn die Papiere jemals komplett vorliegen werden, fürchtet Rechtsanwalt Rolon, dann wird - nach über einem Jahr - nichts mehr auf den Konten sein.

Im Falle des Gramont-Unternehmens „Rosi“ reichten sogar einige Tage, um die Zitrusfabrik mit dem geschätzten Wert von 27 Millionen Dollar für eine Million an einen neuen Besitzer zu veräußern. Zuvor aber hatte Gramont für sein Unternehmen von der Overland Trust Banque in Genf einen Kredit von 40 Millionen Schweizer Franken erhalten. Die Quittung hatte Gramonts Ehefrau unterschrieben; der paraguayische Staat fungierte als Bürge.

Abgesichert war die Operation aber auch von der Sace, der Sonderabteilung für die Exportkreditversicherung. Da Gramont polizeilich gesucht wird und seine Fabrik rechtzeitig veräußert wurde, wollte sich die Schweizer Bank an den Bürgen, die neue Regierung in Asuncion, halten - freilich ohne Erfolg. Man werde für den Kredit nicht geradestehen, teilte Ende Februar Außenminister Luis Maria Argana seinem italienischen Kollegen mit. Die Eidgenossen hätten, so Argana, unverantwortlich gehandelt, da sie nicht die Solvenz geprüft und sich lediglich auf ein Schreiben des ehemaligen Finanzministers Stroessners verlassen haben, in dem Gramont das Privileg zugesprochen wurde, im Namen des paraguayischen Staates Anleihen aufzunehmen.

Um rechtswirksam zu sein, hätte der Kredit vom paraguayischen Kongreß durch ein Gesetz abgesegnet werden müssen. Vor kurzem haben die Behörden in Asuncion die Zitrusfabrik besichtigt und dabei den Wert der Maschinen als sehr viel geringer als den in Frage stehenden Betrag geschätzt. „Beteiligt an der Affäre war nicht nur Gramont“, schrieb die paraguayische Tageszeitung 'ABC Color‘, „sondern auch Mitarbeiter der schweizerischen Bank und hohe Beamte von Sace, die wahrscheinlich hohe Kommissionen für den Kredit kassiert haben“.