SEUFZ!!!

■ Cowboy Junkies in der HdK

Neben mir knuddelt ein Pärchen. Ich sitze Parkett links, Reihe 1, Platz 4. Wir sind im Konzertsaal der HdK, hier ist alles durchnumeriert und -organisiert, in den Seitengängen ist Rauchen verboten und vorne im Foyer, wo sich die Abhängigen treffen, trübt kein Aschekrümelchen den peinlich sauberen, weißen Anblick des PVC-Bodens.

Zwei Barhocker auf der Bühne, auf einem steht eine Vase mit einem Frühlingssträußchen, ein Weinglas und eine Kerze. Auf dem anderen sitzt Margo. Das Liebespärchen ist nicht das einzige, der Rest sind einsame Herzen und tiefe Verehrer von Margo Timmins, die ihre langen Haare aus der Stirn streicht, sich wie in Zeitlupe bewegt, sich langsam nach hinten beugt, den Blick starr zur Decke, für einen Moment einer Statue gleich, und ich glaube einen kollektiven Seufzer zu hören. Vielleicht bin ich's aber auch nur selber.

„Is it enough to die/ When you are broken/ You'll be loved again.“ Ihre Stimme ist beim Sprechen noch rauchiger als beim Singen. Beim Singen schneidet sie scheinbar emotionslos durch das Gespinst, das die sieben gestandenen Männer im Halbkreis hinter ihr produzieren und uns als Musik verkaufen. Wenn man die Augen schließt, jeden Ton sinken läßt, jedes Bimmeln eines Glöckchens, jede Saite der Steelguitar einzeln hört, wenn man glaubt, das Drücken der Tasten des Akkordeons zu vernehmen, und wenn man dann blinzelt und wieder zur Bühne blickt, bekommt man fast einen Herzinfarkt, wegen der vielen Leute, die sich dort droben befinden. Und einmal muß sogar Margo lachen über die extreme Gewissenhaftigkeit, mit der ihre Jungs (sie nennt sie „the boys“) jedes Tönchen hervorlocken.

Margo und ihre Jungs, sie spielen nur für sie, sie hängen an ihren Lippen und manchmal dreht sie sich um und schenkt ihnen ein Lächeln, einmal in die Runde der sieben, die selbst die ausgelutschtesten Lieder mit zärtlich streichelnder und tätschelnder Hand zu esoterischen Erlebnissen machen. Blue Moon, Powderfinger von Neil Young und selbst Sweet Jane bekommt eine Klasse, die ihm Lou Reed nie geben konnte.

Noch ein letztes Mal nimmt Margo einen Schluck aus ihrem Weinglas, legt sanft ihre Finger um den Mikroständer und verabschiedet sich: „Thanks for letting us play here. We had a lot of fun tonight.“ Wahrlich komische Menschen mit solch einer Vorstellung von Spaß. Großer Seufzer!

Thomas Winkler