DDR-Koalitionshandel: Die Posten sind verteilt

■ OB-Kandidat Schwierzina im taz-Gespräch: SPD-Ortsverein lehnt Beteiligung ab

Berlin (taz/dpa) - Die Bildung einer ganz großen Koalition in der DDR schreitet zügig voran. Bei siebenstündigen Verhandlungen in der Nacht zum Sonntag haben sich die Parteien auf einen Verteilerschlüssel für die Ministerposten geeinigt, berichtete CDU-Generalsekretär Kirchner im Anschluß an die Sitzung. Danach wird die CDU in dem 24köpfigen Kabinett das Amt des Ministerpräsidenten und darüber hinaus noch zehn Ministerposten erhalten, die SPD wird sechs Minister, DSU und Liberale drei Minister stellen, und einer fällt an die 1-Prozent-Partei „Demokratischer Aufbruch“.

Markus Meckel, amtierender SPD-Vorsitzender, machte allerdings am Sonntag morgen deutlich, daß seine Partei darauf beharren werde, sieben Ministerposten zu erhalten. Dazu, welche Posten an welche Partei gehen sollen, gibt es noch keine verläßlichen Informationen. Laut Kirchner will die CDU neben dem Ministerpräsidenten, der auch für den Bereich Deutschlandpolitik zuständig sein wird, das Amt des Pressesprechers. Schon länger hatte sie deutlich gemacht, daß sie außerdem die Bereiche Wirtschaft, Außenpolitik, Soziales und Bildung haben möchte. Das Innenministerium werde - so Kirchner - „ganz sicher nicht“ an die SPD fallen, sie solle aber „ein Schlüsselressort“, entweder das Wirtschaftsministerium oder Arbeit und Soziales, erhalten. Der DA-Vorsitzende Eppelmann ist als Minister für Abrüstungsfragen im Gespräch. Die Verhandlungen werden am Sonntag - nach Redaktionsschluß - fortgesetzt.

Die SPD hat offenbar mit erheblichen internen Konflikten zu kämpfen, da große Teile der Partei sich eine Koalition mit der DSU weiterhin nicht vorstellen können. So erklärte der SPD-Kandidat für das Amt des Ostberliner Oberbürgermeisters, Tino Schwierzina, in einem Gespräch mit der taz, der Berliner SPD-Landesverband lehne eine Regierungsbeteiligung nach wie vor ab. Diese Position habe er auch im SPD -Parteirat, der am Samstag tagte, vertreten, doch ohne Erfolg. Der Parteirat votierte für eine Fortsetzung der Koalitionsverhandlungen. Am Sonntag morgen hatte der SPD -Parteivorstand eine heftige Debatte über die Kompetenzen von Partei und Fraktion. Schließlich habe man sich, erklärte Markus Meckel, darauf verständigt, daß in „parlamentarischen Fragen“ - eine Fortsetzung auf Seite 2

Regierungsbeteiligung eingeschlossen - die Fraktion das entscheidende Gremium sei. In der nächsten Koalitionsrunde soll es wieder stärker um Sachfragen gehen. Über die schlechte Vorbereitung der „Allianz„-Parteien hatte Meckel schon Ende letzter Woche Klage geführt. So habe die SPD „bisher noch kein einziges Positionspapier“ der Konservativen gesehen. Die SPD fürchtet, daß Koalitionsabsprachen von den Konservativen nur so lange als verbindlich betrachtet werden, wie keine gegenteiligen Weisungen aus Bonn oder München kommen.

Zu der SPD-Kritik an ihrem Verhandlungsstil gab das CDU -Organ 'Neue Zeit‘ dazu in seiner Samstagsausgabe eine Äußerung von Martin Kirchner wieder: „Wenn die SPD für alle Verhandlungen Papiere brauche, sei das ihre Sache, selbst sei man durchaus in der Lage, in freien Gesprächen seine Politik zu vertreten...“

ws