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Rumänen raus?

■ Obdachlose auf dem Bahnhof Lichtenberg

Noch sind es nur wenige. Morgens verschwinden sie irgendwohin, doch abends so gegen acht finden sie sich wieder ein - in ihrem „Nachtquartier“ gleich neben den Gepäckschließfächern auf dem Berliner Bahnhof Lichtenberg.

Doch es wurden immer mehr, und irgendwann fiel es jemandem auf, daß es stets die selben Leute waren, die sich des nachtens einfanden. Am letzten Samstag schließlich berichtet die sich noch immer als „links“ ausgebende „Berliner Zeitung“ über den mittlerweile zu einem Problem ausgewachsenen Tatbestand. Unter der Titelzeile „Die Endstation ist der Wartesaal“ läßt die Autorin Leute zu Wort kommen, die in typisch sauber-deutscher Manier sich über die „bergeweise Müll“ produzierenden Rumänen auslassen, sie selbst berichtet in einem bedauernden Ton darüber, daß die Transportpolizei aus rechtlichen Gründen nicht befugt ist, die Leute aus der Bahnhofshalle zu vertreiben und ist letztlich doch wenigstens darob zufrieden, daß man diese Menschen wenigstens mittels einer Sperrkette von der Empore fernhalten konnte.

Montag abend gab es eine Art Krisensitzung in den Räumen des Roten Kreuzes des Bahnhofs. Neben Anehörigen des DRK nahmen Herr Siebert als Vertreter des Magistrats sowie eine Gruppe der Beauftragten für Ausländerfragen mit ihrer Chefin Almuth Berger an der Spitze teil. Problem Nummer eins: Aus welchen Gründen befinden sich die Rumänen seit Wochen auf dem Bahnhof - wollen sie in der DDR bleiben, wollen sie nach Westberlin oder zurück nach Rumänien? Versuche, mit den Leuten in Kontakt zu treten scheiterten bisher an der offensichtlichen Angst, die die Rumänen vor den Deutschen haben. Erst, als ein „Prisma„-Team des Deutschen Fernsehfunks mit einer Dolmetscherin zu dem Kreis stößt, läßt sich die Barriere überwinden.

Vorerst aber geht es in der Sitzung um Grundsätzliches. Auf gar keinen Fall, so die einhellige Meinung, kann man die obdachlosen Rumänen auf dem Bahnhof belassen. Schon die hygienischen Verhältnisse würden dies nicht zulassen. Ebensowenig aber will man die Leute vom Bahnhofsgelände verjagen. So stellt sich die Frage nach geeigneten Räumlichkeiten. Nach langer Diskussion erklärt sich Herr Sieber vom Magistrat schließlich bereit, ein leerstehendes Wohnheim oder eine „ausgemusterte“ Kaserne aufzutreiben, um zumindest ein erstes provisorisches Obdach zu bieten. Aber, so gibt er zu bedenken, wenn sich das erst herumspräche, dann würden aus den dreißig sehr bald dreihundert Ausländer oder mehr. Doch Frau Berger und die Herren vom DRK bleiben dabei - es ist eine Frage der Humanität, diese Menschen nicht einfach ihrem Schicksal zu überlassen. Herr Sieber nennt schließlich einen Termin, zu dem er das Raumproblem gelöst haben will - Dienstag, zehn Uhr.

Dann der schwierigste Teil: die Kontaktaufnahme. Doch mit Hilfe der Dolmetscherin gelingt es schließlich. Wie aus einem plötzlich geöffneten Ventil sprudelt es aus den Leuten heraus - sie hätten Angst, nach Hause zurückzukehren, die Securitate herrscht noch immer dort, am liebsten würden sie hier bleiben und für sich eine Arbeit suchen. Auch sind sie bereit, in eine gemeinsame Unterkunft zu ziehen. Frau Berger versucht, ihnen klarzumachen, daß es hierzulande mit Arbeit nicht gerade rosig aussieht - umsonst. Jedenfalls vereinbart man, sich am Dienstagvormittag zu treffen, um die Frage einer ersten Unterbringung zu klären.

Nachsatz: Bis Dienstag 12.00 Uhr sah sich der Magistrat außerstande, geeignete Räume zu finden.

Olaf Kampmann

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