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Urdeutsches Fundikonzept

■ betr.: " Austritt: Ex Grüne auf Negationskurs", taz vom 9.4.90

betr.: „Austritt: Ex-Grüne auf Negationskurs“, taz vom 9.4.90

Mit den Hamburger Fundis Trampert/Ebermann/Schmidt verlieren die Grünen zweifellos farbige Persönlichkeiten. Sie sollten ihnen aber keine Träne nachweinen: Die Hamburger Ökosozialisten haben die Eierschalen des K-Gruppen -Sektierertums nie abgestreift. Sie vertreten ein gräßliches deutsches Politikkonzept: Es ist in der Konsequenz antidemokratisch, weil ihnen die Einstellungen des grünen Wählerpotentials piepegal sind. Trampert, Ebermann & Co. haben nicht akzeptieren wollen, daß die überwältigende Mehrheit der grünen WählerInnen rot-grüne Koalitionen wünscht.

Das urdeutsche Fundikonzept reduziert sich auf die Wahrnehmung der Wirklichkeit nach dem Muster: Sieg oder Niederlage, Widerstand oder Anpassung, Leben oder Tod. Die komplizierten politischen und individuellen Realitäten spielen sich aber dazwischen ab und lassen sich nicht auf schlichte Dualismen verbalradikaler Art reduzieren. Wer das nicht kapiert, den bestraft das Leben!

Die Grünen sollten nun endlich einen Grundkonsens als linksökologische Reformpartei finden. Sie müssen mit einem dezidiert ökologischen und linken Profil auf die SPD Druck ausüben und prinzipiell zur Regierungsbeteiligung bereit sein. Ansonsten werden die Grünen bald von der politischen Bildfläche verschwunden sein!

Gerd Weingarten, Essen

Nach dem Austritt etlicher Linken aus den GRÜNEN am Wochenende ist es für die Zurückgebliebenen wieder ein Stück schwerer geworden, dazubleiben und die nötige Kraft aufzubringen für eine Weiterarbeit in dieser Partei. Ich verstehe, daß angesichts der drohenden Übernahme der DDR durch die BRD, der unkritischen Lobeshymnen von großen Teilen der Bevölkerung auf die Marktwirtschaft und all ihre Errungenschaften bei gleichzeitiger fast völliger Ignorierung der durch die hemmungslose Ausbeutung und Verpestung der natürlichen Ressourcen auf der ganzen Welt entstandenen irreparablen Schäden an Mensch und Umwelt, der politische Kampf für alle Andersdenkenden nicht leicht fällt, vor allem, wenn Teile der eigenen Partei in diesen komfortabel erscheinenden Zug einsteigen und alles daran setzen, den kritischen Stimmen in den GRÜNEN den Boden zu entziehen. Aber erstens einmal weiß auch ein Joschka Fischer genau, daß der verbleibende Rest nach einem Rausschmiß der radikalen Feministinnen, ÖkologInnen und FriedenskämpferInnen zur Bedeutungslosigkeit verdammt wäre und zweitens weiß es, wenn es Antje Vollmer und Ralf Füchs nicht wissen, auf jeden Fall die Basis, die Leute, die sich vor Ort die Hacken ablaufen, die in Zusammenarbeit mit Friedens-, Öko- und Frauengruppen die allseits anerkannte Kommunalpolitik machen.

Wollt ihr diese Menschen im Regen stehen lassen und deren Arbeit der SPD zum Fraß vorwerfen? Wenn ihr müde seid, dannn zieht euch zurück, entspannt euch, benutzt die gewonnene Zeit zum Brainstorming und kommt bitte erst dann zurück, wenn ihr eure Depression überwunden und wieder genug power habt, um euch konstruktiv einzubringen, so wie es beispielsweise Jutta Ditfurt getan hat. Aber seid so nett und nehmt euch selbst und eure Frustration nicht so wichtig, daß ihr mit lautem öffentlichem Getöse aus unserer Partei auszieht, ohne eine Alternative anzubieten. Ihr schadet damit nämlich nicht denjenigen, die ihr treffen wollt, die sind froh, wenn ihr das Handtuch schmeißt, sondern den anderen, die mit euch inhaltlich einer Meinung sind. Wer, wenn nicht wir Linken, die wir DIE GRÜNEN nie als Sprosse in der Karriereleiter für bessere Posten in der SPD begriffen haben, soll denn in Zukunft all denjenigen, die noch nicht dem Konsumwahn verfallen sind, denen eine saubere Luft wichtiger ist als der Porsche vor der Tür, die nicht den kleinen Unterschied zum großen machen wollen, die für soziale Gerechtigkeit und kompromißlose Abrüstung auf die Straße gehen, eine politische Heimat bieten?

Ich bin der Meinung, wenn wir gehen, dann gehen wir alle, aber erst dann, wenn DIE GRÜNEN tatsächlich die grün angestrichene FDP geworden sind, zu denen sie einige machen wollen, wir wirklich alles versucht haben, dies zu verhindern und wir vor allem eine Alternative zu den GRÜNEN anzubieten haben, die es uns ermöglicht, politisch weiterzuarbeiten. Oder wollt ihr euch in Zukunft damit begnügen, einmal im Jahr euer Kreuzchen nicht zu machen?

Ulrike Thomas, DIE GRÜNEN Baden-Württemberg

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