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Wer löffelt die DGB-Suppe aus?

■ Das Schauspiel um den DGB-Chef und andere Vorstandsmitglieder findet noch statt

Das Spektakel um die Nachfolge des scheidenden DGB -Vorsitzenden Ernst Breit steht seit geraumer Zeit auf dem Spielplan. Als Lehrstück sei es jedoch nur gefestigten Charakteren empfohlen. Es ist ein mächtiges Stück, gewerkschaftsmächtig, das traditionelle Repertoire. Auf Organisationsdeutsch gesagt: Innergewerkschaftlich wurde Interessenausgleich gesucht und gefunden. Auf gut Deutsch heißt das: Kandidaturen wurden genannt, storniert. Da capo. Da capo. Wem sollte das schaden? Klar, wir hatten Spaß. Nur einer kam beinah nicht durch. Der DGB.

Dabei fing alles gut an. Der DGB hätte, so war die Organisationsstruktur gedacht, gleichzeitig Gerüst und Dach der Gewerkschaften sein können. Weniger belastet durch primär mitgliederbezogene Arbeit hätte dieser Verband ergänzend, weiter-denkend und fort-führend in einem spannungs-, und deshalb sinnvollen Verhältnis zu seinen Einzelgewerkschaften zukunftsorientierte Gewerkschaftsarbeit leisten können. Doch weit gefehlt. DGB-Politik? Grundmannskost nach dem Hatallenzuschmecken-Prinzip, Ego -Ausgleichssüppchen. Nur selber essen macht fett.

Dabei gab es gute Ideen. Beispiel eins: Ortskartelle. Sie waren gedacht als regionale Integrationsorgane, gewerkschaftliche Lehrküchen - Produktivstätten sozusagen, zukunftsorientiert. Langsam aber wirksam klemmte man ihnen den Nerv ab. Beispiel zwei: Strukturreform. Was so hieß, war faktisch die Amputation eines Hauptes und vieler Glieder. Folge eins: Lähmung und Denaturierung gewachsener Strukturen. Folge zwei: neuer Wechselkurs - statt 7:2 wird nun gerätselt, ob 7:1 oder 6:2. Rot:Schwarz. Der Kanzler läßt grüßen!

Irgendwann mal, vor rund hundert Jahren, war eine Zeit, in der Zukunft nur zwei Namen hatte: Verelendung - und diese als unausweichliche Folge von Ausbeutung und Elend. Oder: gewerkschaftliche Gegenmacht - als riskante und lange Zeit illegale Chance, um der Verelendung vielleicht doch zu entkommen. Auf die Chance haben viele gesetzt, manche ums Verrecken. Heute läßt sich sagen: Und viele haben gewonnen. Gewonnen auch deshalb, weil sich die Rolle verändert hat: Gewerkschaften sind von einer Gegenmacht zu einer gesellschaftlichen Kraft geworden. Zugewinn also, an Aufgaben, an Verantwortung - auch an Möglichkeiten. Hätten sie das etwa nicht gut verkraftet?

Links Europa, rechts Deutschland - nach Vereinigung drängt sich fast alles. Nicht so im und um den DGB. Da wird gewogen, befunden, zu leicht oder zu schwer. Vor uns: eine Guckkastenbühne... Herrjeh, Männer und Frauen müßten her! Und Grips! Wie vom richtigen Theater.

Jon

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