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Ein kurzer, aber offener Brief

Sehr geehrter Herr Innenminister!

Beeindruckt von Ihrem ersten Auftreten im neuen Amt, hatte ich vor, ein kleines Interview mit Ihnen zu machen. Leider fanden Sie dazu keine Zeit. Nun ist dieser Umstand allein noch keinen Brief wert, wären da nicht die Worte, mit denen Sie mein Anliegen an Sie ad acta legten: „Die taz? Ich werde mich schon um Sie kümmern. Sie werden demnächst einen Brief von mir erhalten, aus dem Sie alles Weitere erfahren werden.“

Da wurde mir dann doch etwas mulmig zumute. Warum? In der Debatte über die Eidesformel ließen Sie verlauten, daß Sie weder die Verfassung (auf deren Grundlage Sie gewählt worden sind) noch viele Gesetze, die auf eben jener Verfassung basieren, anerkennen. Das ist - Dr. Ullmann hatte da völlig recht - ein in unseren Breiten wohl bisher einmaliger Vorgang.

Da stellt sich ja zunächst einmal die Frage, wie Sie denn nun regieren wollen - so ganz ohne Gesetze? Aus dem Bauch? Oder wollen Sie etwa nach altem Gutdünken festlegen, was Recht und Gesetz ist? Mein Gott, das wäre ja schon wieder die blanke Dik... - pardon, wollte sagen, es wäre ja beinahe schon wieder ein ganz klein wenig undemokratisch. Und wenn ein oberster Polizeichef - der Sie ja sind - nicht nach geltenden Gesetzen handeln will, zum Vertreter eines als kritisch bekannten Blattes sagt: „Wir werden uns um Sie kümmern ...“ - verstehen Sie mein Unwohlsein?

Und überhaupt. Die Polizei, hat mir mal irgend so ein lebensfremder Trottel einreden wollen, sei dazu da, das Gesetz zu schützen. Doch was nun?

So viele Unklarheiten.

Schon deshalb halten wir es für notwendig, wenn Sie uns in der taz Rede und Antwort stehen würden. Steht doch schon im Gesetzblatt der DDR Teil I Nr. 7 vom 12. Februar 1990 geschrieben: „Alle staatlichen Organe ... sind verpflichtet, den Medien alle Auskünfte zu erteilen, die für die Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben und eine wahrheitsgemäße Information erforderlich sind.“

Aber ich vergaß - Sie haben ja so Ihre Probleme mit den Gesetzen.

Mit freundlichen Grüßen!

Olaf Kampmann, Redakteur

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