Tränengasschwaden vor der Grabeskirche

■ Während die israelischen Parteien hinter verschlossenen Türen Regierungsmehrheiten ausknobeln, kommt es im christlichen Viertel Jerusalems zu Zusammenstößen / Palästinensischer Jugendlicher in der Westbank laut Zeugenaussagen durch Genickschuß getötet

Jerusalem (afp/dpa/taz) - Während für den Vorsitzenden der israelischen Arbeitspartei am Donnerstag der neuerliche Countdown für die Regierungsbildung begonnen hat, gibt es Anzeichen dafür, daß es bei einem Scheitern seiner Bemühungen zu einer Neuauflage des Kabinetts der „Nationalen Einheit“ kommen könnte - allerdings nicht unter Schimon Peres, sondern mit seinem parteiinternen Rivalen Jizchak Rabin. Staatspräsident Chaim Herzog hatte Peres am Mittwoch eine letzte vierzehntägige Frist zugebilligt, um ein neues Kabinett zustande zu bringen. Der Arbeitspartei-Chef hat nun bis zum 26. April Zeit, eine Regierung zu bilden.

Der parteiinterne Rivale von Peres, der frühere Verteidigungsminister Jizchak Rabin, teilte in einer Erklärung mit, er unterstütze die Bemühungen seines Parteivorsitzenden. Vor allem hinsichtlich des Friedensprozesses im Nahen Osten sei es „von nationaler Bedeutung“, daß die Bildung einer kleinen Koalition unter der Leitung des rechtsnationalen Likud-Blocks verhindert werde, betonte Rabin. Unterdessen äußerte sich der amtierende Regierungschef Jizchak Schamir vom Likud-Block positiv zu einer möglichen erneuten Zusammenarbeit mit der Arbeitspartei - doch nicht unter der Führung von Peres, sondern mit Rabin.

Während die Parteien hinter verschlossenen Türen die Verhandlungen über mögliche neue Regierungskoalitionen führten, ging es auf Jerusalems Straßen hoch her. Denn am Mittwoch waren rund 150 jüdische Israelis demonstrativ in ein großes Haus mitten im griechisch-orthodoxen Viertel Muristan eingezogen und hatten damit Proteste des griechisch -orthodoxen Patriarchen Diodorus provoziert. Am Donnerstag morgen war es dann in unmittelbarer Nähe der Grabeskirche zu schweren Zusammenstößen zwischen Hunderten von Gegendemonstranten und der Polizei gekommen. Teddy Kollek, Jerusalems Bürgermeister, nannte das Verhalten der jüdischen Siedler eine „Provokation“, obwohl er betonte, daß nur die Gerichte über die Rechtmäßigkeit des Bezugs durch die Juden entscheiden könnten. Dennoch sei der Schritt, ausgerechnet zur Osterzeit in das umstrittene Haus einzuziehen, „ungeschickt und ohne Feingefühl“ gewesen: „Wie hätten sich die Juden gefühlt, wenn Christen am Pessach-Tag singend und tanzend durch das jüdische Viertel gezogen wären?“ fragte der Bürgermeister. Ein Gericht allerdings hat bereits bestätigt, daß die Besetzer, die aus New York stammen sollen und der militanten Organisation „Atereth Kohanim“ angehören, vorerst bleiben können.

Auch im besetzten Westjordanland kam es am Donnerstag wieder zu einem tödlichen Zwischenfall. Die palästinesische Bürgerrechtsbewegung „Al Haq“ beschuldigte in diesem Zusammenhang die israelische Armee, einen palästinesischen Jugendlichen ohne Vorwarnung kaltblütig erschossen zu haben. Nach Berichten der Gruppe hatten israelische Sicherheitskräfte den jungen Mann, der als Aktivist der Intifada verdächtigt wird, beim Betreten eines Geschäftsgebäudes in Ramallah entdeckt. Sie riefen daraufhin Soldaten zu Hilfe. Augenzeugenberichten zufolge wurde seine Leiche wenig später mit einem Plastikgeschoß im Genick auf der Straße gefunden. Die israelische Armee wies die Anschuldigungen der Gruppe, in der palästinesische Juristen und Hochschullehrer zusammengeschlossen sind und die in diesem Jahr von der Carter-Stiftung ausgezeichnet wurde, unterdessen zurück.

aw