DDR will mehr als eine Handvoll Deutschmark

Neue Regierung in Ost-Berlin beharrt auf generellem Umtauschkurs 1:1 Bundesregierung hat ihren Entwurf eines Staatsvertrages schon in der Aktentasche  ■  Aus Berlin Brigitte Fehrle

Nimmt die erste frei gewählte Regierung der DDR ihre Koalitionsvereinbarung ernst, wird sie sich gleich nächste Woche heftig mit Kanzler Kohl streiten müssen. Denn in dem 50 Seiten starken Papier steht schwarz auf weiß, wie sich die DDR den Umtauschkurs vorstellt: nämlich 1:1. Außerdem sollen, auch das haben die Parteien des Regierungsbündnisses aus Allianz, Liberalen und SPD festgeschrieben, Wirtschafts -, Währungs- und Sozialunion gleichzeitig eingeführt werden. Diese Grundsätze sollen in einen Vertrag mit Bonn einfließen.

Im Lichte des von Kanzleramtsminister Seiters inzwischen detailliert ausgearbeiteten Staatsvertrages nehmen sich die Vorstellungen der jungen Koalition fast rührend aus. Denn Bonn hat den Fahrplan bereits festgeschrieben. Bis zu den Kommunalwahlen am 6. Mai will man den Staatsvertrag unter Dach und Fach haben. Die Währungsunion soll dann noch vor den Sommerferien in der DDR am 7.Juli in Kraft treten. Mit der Sozialunion und der Wirtschaftunion haben es die Bonner nicht so eilig. Hier werden keine Termine genannt.

Die Vorstellungen des DDR-Wirtschaftsministers über die Vereinigung von Mark und D-Mark unterscheiden sich deutlich von allem, was derzeit in der BRD diskutiert wird. Gerhard Pohl will, daß in jedem Fall DDR-Sparguthaben bis zu 30.000 Mark 1:1 umgetauscht werden. Das läßt dem Chef des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes Geiger die Haare zu Berge stehen. Er möchte lieber über die Schulden der DDR sprechen und fragt, wie die denn umgestellt werden sollen: „Wenn das nicht 1:1 möglich ist, wer trägt dann die Differenz?“ Für Geiger ist das die „Hauptfrage“, die er auch sogleich beantwortet. Zunächst müsse dafür der DDR-Haushalt aufkommen.

Differenzierte Vorschäge macht der Berater des neuen Wirtschaftsministers, „Schattenminister“ Elmar Pieroth (CDU -West). Es müsse bei der Umstellung für die Mark einen „marktnahen Kurs“ geben, so der ehemalige Wirtschaftssenator West-Berlins. Bei Löhnen und Gehältern stellt er sich „im Ergebnis“ 1:1 vor. Beim Umtausch der Sparguthaben schlägt Pieroth vor, nach Alter der Sparer zu differenzieren. Bei jüngeren Menschen kann er sich eine Grenze von 2.000 Mark vorstellen. Für über 50jährige müsse sie „um ein Vielfaches höher“ liegen. Auch für die vielen, die in der DDR um ihre Arbeitsplätze fürchten, hat Pieroth ein Trostpflaster parat: Weniger als 500.000 müßten um ihre Arbeitsplätze fürchten, „wenn es richtig gemacht wird“.

Daß auch bei der Einführung der Sozialunion nicht alles harmonisch zugehen wird, deutet VdK-Präsident Hirrlinger an. Der Chef der Kriegsopfer, Behinderten und Sozialrentner warnt beim Anschub der DDR-Rentenversicherung vor einem „Griff in die bundesdeutsche Rentenkasse“. Deren Einlagen seien schließlich von den BRD-Versicherten eingezahlt worden, meint Hirrlinger und wehrt sich „mit Vehemenz“.

Daß in den kurzatmigen Fahrplan zum Staatsvertrag die in der DDR-Koalitionsvereinbarung geforderte Beteiligung der beiden Parlamente eingelöst werden könnte, scheint kaum realistisch. Kommenden Dienstag wird der Staatsvertrag im Kabinettsausschuß „Deutsche Einheit“ abgesegnet. Noch im April sollen erste Zwei-plus-vier-Gespräche unter Beteiligung des neuen Außenministers der DDR, Markus Meckel, stattfinden. Wenn schließlich am Montag, den 23. April Kanzler Kohl abgespeckt von seiner Fastenkur aus Hofgastein zurückkehrt, will er Oppositionschef Vogel unterrichten.

Für die interessierte Öffentlichkeit wird der Staatsvertrages allerdings noch eine Weile ein Geheimnis bleiben. Regierungssprecher Vogel kündigte an, man werde „kurz vor“, vielleicht auch erst nach der Unterzeichnung des Vertrages an die Öffentlichkeit gehen. Tagesthema auf Seite 3

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