EIERPIEKER IN BLAU

■ Unsere endgültige Postostererzählung

Es war unerträglich bei Aldi. Frühlingssuppe und Fleischbrühe hatten sie nicht, Frühlingssuppe sollte einen grüne Karton haben, die andere einen roten, aber beides war nicht da. Am Regal „Fertiggerichte“ war nichts, dahinter, bei sonstigen Kleinigkeiten, auch nicht. Ein Gefühl wie Ostereiersuchen: warm, heiß, heißer, verbrenn dich nicht! Ich habe mich nicht verbrannt. Honig-Pops von Kelloggs kosten hier nur fünf D-Mark, sicher ist das billig, weil ja bei Aldi alles so viel billiger ist. Fünf DM für so eine Packung.

Mit der Packung in der Hand stellte ich mich in die Reihe, das Gute war, daß auf diesem Weg auch das Schwarzbrot lag, es hieß Schinkenbrot und kostete 99 Pfennig. Vor mir stand eine Türkin mit zwei Söhnen, die suchten mehr und mehr Zeug für ihren überfüllten Wagen zusammen. Wenn ich die gefragt hätte, ob ich meine zwei Sachen schnell vor ihr bezahlen könnte, wäre das bestimmt für sie eine neue Ohrfeige gewesen, wieder jemand hätte sich zuviel herausgenommen, weil es ja alle tun. Ich wartete noch ein bißchen, weil ich dachte, ich sollte tapfer sein und es hier aushalten, im Laden für arme Leute.

Mein Hunger wurde dabei so schlimm, daß dieses Schwindeln losging, ich habe schon fast geheult, das Schwarzbrot hingestellt, bin um die Ecke gegangen, weil in dem Gang die Honig-Pops stehen, und dann da beim Eingang zur Tür. Aber man darf nicht raus, nur rein, und soll sich mit seinem Wagen durch die Schleuse treiben lassen. Ich bückte mich also, um hinter der Schranke durchzukriechen, da brüllte jemand, den ich nicht sehen konnte: Hier nicht rausgehen! Und marsch kehrt, mußte ich das ganze Rondell noch mal durchlaufen, wo es nichts zu riechen gibt und nur Preisschilder, Pappkartons, halbleere Regale und müde Gesichter von Sonnabend vormittag zu sehen sind. Angehalten haben sie mich dann nicht mehr, und meine Tasche wollten sie auch nicht kontrollieren. Als ich draußen war, war ich draußen.

Nebenan ist der Laden „Super 2000“. Ich brauche noch die Suppen, aber die sollten ja von Aldi sein, Haarshampoo, Eierpieker für meine Tante, sie wollte extra keinen teuren, sondern ein einfacher tut's auch, ach ja, und Schokoladeneier ungefüllt. Vornean ist gleich die Drogerieabteilung, da war auch, was ich wollte, bin dann mit dem Wagen die Rollreppe runter, unten sah ich, daß das sogenannte Schinkenbrot hier 1,55 DM kostet. Das schlimmste war die Quietschmusik, die manchmal schweigt, wegen der Musik vermeide ich den Laden schon überhaupt. Tante Mieke wollte halt diese Sachen. Ostereier gab es nur gefüllt, Gemüse hätte ich mitgenommen, war aber keins da, und schließlich stand ich nur mit dem Haarshampoo im Einkaufswagen an der Kasse, hier bloß zwei Leute vor mir. Videowatchers gab es nicht, ich habe das Zeug eingesteckt und bin an den Leuten an der Kasse vorbei raus. Etwas unverschämt gedrängelt habe ich schon, es sollte schnell gehen. Wieder ist keiner hinter mir her. So delinquent zu werden, sähe mir dann auch ähnlich, und daß ich neulich in der U-Bahn geschnappt wurde, paßt gut ins Bild.

Rechts zum Gemüsestand oder links zum Schokoladenladen? Bitte, geradeaus ist das Haushaltsgeschäft, da muß es Eierpieker geben, es gibt sogar drei Farben zur Auswahl. Ich nehme den blauen, er kostet 1,50, die Frau bittet mich zur Kasse, sie hatte schon immer diese absurde kalt-mondäne Lippenstiftfarbe. Mit dem Lächeln gibt sie sich Mühe, sie kriegt es gerade noch hin.

Beim Ostereierkaufen ging es schließlich ganz wortreich zu. Zwei Frauen haben sich erst über Gartenarbeit unterhalten, daß sie bei dem schönen Wetter unbedingt raus wollen und daß zu arbeiten noch die einzige Erholung sei (kann ich nicht bestätigen. zumal wenn ich preise und kassengewäsch sezzen soll. sezza). Die Tresendame fand die Eier zu zwei Mark auch gut, die nehme sie für ihre Enkelkinder. Trotzdem habe ich die teuren gekauft, weil Tante Mieke sie verschenken will und weil ihr Enkel so verwöhnt ist. Das war mal ein menschliches Wort, und es ging mir besser.

Beim Gemüsetürken war der Porree so teuer wie überall, nur weil der Typ bestechend gleich fragte, was ich wolle, nahm ich ein Pfund Äpfel, das waren vier Stück, fast zwei D-Mark. Na ja. Ersatzsuppen habe ich irgendwo gefunden. Noch 'Tip‘ oder 'Zitty‘, würde ich aber irgendwas in Berlin machen wollen? Drei D-Mark so'ne Zeitung. Brot habe ich zum Glück noch woanders erstanden. Als die Verkäuferin schon abgezogen hatte, fielen mir leider erst die Kuchen auf dem Tisch auf, sehr schön, aber bei der ungeduldigen Tonlage traute ich mich nicht, noch was zu wollen. Dann fiel mir noch der Handfeger, Borsten nach oben, auf dem Taschenabstellbrett auf. Sehr appetitliche Bäckerei.

Ein Stück Kuchen habe ich doch gekauft, schließlich, denn für Sonnabend nachmittag könnte das gut sein. Es war gefüllter Windbeutel mit Kirschen und Pudding. Der Laden hat sich bei seiner Renovierung selbst zerstört, und nun klingt aus jedem Mund ein Tonband. Sie wollten gerade Schluß machen. Daß ich keine Zeitung gekauft habe, habe ich schon gesagt (ach, tatsächlich? sezza), ich geh ja doch nicht weg, und dieses Szenetheater nervt mich bloß, dieser Starkult. Also trete ich aus der Sonne auf der Straße in den Schatten im Hof, in die Wohnung, Telefon in der Hand, erst mal dies alles...

Sophia Ferdinand