An Birgit & Waltraud

■ betr.: "PDS, Stasi-Amnestie und die bundesdeutschen Grünen", taz vom 2.4.90

Sehr geehrte Frau Birgit Laubach, sehr geehrte Frau Waltraud Schoppe!

In der taz vom 2. April dieses Jahres habe ich Ihren überaus bemerkenswerten Artikel über die „PDS, Stasi-Amnestie und die bundesdeutschen Grünen“ zu lesen die Ehre gehabt. Sie haben mit überaus klugen Wortzusammenstellungen über ein Ihnen so wohlbekanntes Thema geschrieben. Ich war verblüfft von der genauen Kenntnis einer ostdeutschen roten Oppositionspartei namens PDS bei westdeutschen grünen wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Sprecherinnen (Für wieviele grüne Bundesbürgermeinungen stehen sie?)

Kann ich nur hoffen, daß Ihre politische Weitsicht über die innerdeutsche Grenze hinaus klar bleibt. Oder ist sie schon getrübt? Hiermit darf ich Ihnen mitteilen, daß sie netten und hoffentlich nicht leichtgläubigen Lesern eine Lüge auftischen wollten. Denn alle Mitglieder der PDS -Volkskammerfraktion werden ihre Akten in Hinsicht auf eine mögliche frühere MfS-Mitarbeit überprüfen lassen. Das gaben sie auf einer Beratung am Sonnabend, dem 31. März, bekannt. Ist das nicht mutig angesichts Ihrer Theorie von der „Wurmfortsatz„-Politik? Sollte es etwa möglich werden, daß dieser die Stasi hervorgebrachte Apparat Stasi-Agenten oder Mitläufer amnestieren könnte?

Vielleicht sollten Sie sich angesichts der von Ihnen aufgedeckten „Wahrheiten“ folgende Fragen beantworten: Wo leben Sie als Bundestagsfraktionsmitglieder der Grünen - im Ost- oder Westteil? Wer sind Ihre derart gut im Bilde stehenden Informanden? Sie selbst? Wann haben Sie die Ihnen so wohlbekannten PDS-Mitglieder befragt? Kennen Sie das Tagesblatt „Neues Deutschland“? Wenn, wann haben Sie es das letzte Mal gelesen? Sind Sie Leser des „Spiegel“? Glauben auch Sie, daß Herr Modrow und Herr Gysi sich in der Partei geirrt haben? Schließlich haben Sie nachweisbar weiße Westen in punkto Stasi..., haben keine große Villa, reden kluges

Zeug, was politische Gegner nicht widerlegen können... Es sei denn, mit dem einzigen Argument, daß sich die PDS aus der SED formiert hat. Damit ist ja wohl für alle offensichtlich, daß die PDS der alte Apparat ist (vorausgesetzt, sie können nicht mehr sehen, nicht mehr hören, nicht mehr denken...). Wer sich vor Tatsachen verschließt, kann keine Wahrheiten ergründen. Und bitte, wenn Sie das „Doublebind-Syndrom“ im Recht auf Arbeit fanden, fragen Sie ostdeutsche Arbeitslose, ob sie es als Zwang zu arbeiten ansahen oder nicht eher jetzt ein Zwang nicht zu arbeiten besteht! Ich bin mir sicher, daß auch für Sie zu unseren am 6. Mai stattfindenden Kommunalwahlen sichtbar werden wird, ob noch so viele Wähler von westdeutschen Freiheiten verblendet sein werden. Denn was ist selbst eine D-Mark wert, wenn das Portemonnaie leer ist?

Ich mache Ihnen den Vorschlag: informieren Sie sich zuerst gut, aber bitte in Ihrem eigenen Land, wenn Sie Grenzhemmungen haben. Und dann bleiben Sie bei nackten Tatsachen und nicht bei anders eingekleideten Wahrheiten, die zu Falschheiten werden! Hochachtungsvoll!

U. Erdmann - Berlin