(Ver)teile und herrsche

■ Volkskammertagung neuer Demostrationstermin / Ingenieure des IHB kämpfen für ihr (Volks)eigentum

Die Volkskammertagung als neuer Demonstrationstermin - das könnte zur Tradition werden. Vor einer Woche waren es die Bauern, gestern die Ingenieure und Architekten aus dem Betrieb Projektierung des Ingenieurhochbau Berlin. „Bisher haben wir zusammen gebaut, nun werden wir vom HD beklaut“, stand auf einer ihrer Losungen, mit der sie während der Arbeitszeit zur Volkskammer zogen.

HD ist der Hauptdirektor, Oberingenieur Wachholz, des bisherigen Kombinates IHB, das in nächster Zukunft in eine GmbH mit verschiedenen Tochtergesellschaften umgewandelt werden soll. Aber nicht hier liegt das Problem, denn mit marktwirtschaftlichen Prinzipien hat man sich inzwischen angefreundet. Doch Vorraussetzungen für die Eigenständigkeit der zukünftigen Tochtergesellschaften ist ein gewisser Grundstock an Kapital, ob nun Sach- oder Finanzkapital, schon allein, um später gegenüber Banken kreditwürdig zu sein.

Mit diesem Problem schlagen sich derzeit auch andere Kombinate herum, denn wie verteilt man nun das, was vorher allen zugleich, doch niemandem richtig gehörte? Noch komplizierter wird es mit den nichtproduktiven Grundmitteln wie Ferienhäuser, soziale Einrichtungen oder Verwaltungsapparate.

Da geht der Streit schon los, denn die Mitarbeiter des Betriebes Projektierung fühlen sich durch einen Beschluß der Kombinatsleitung um ihren Anteil betrogen. Jedem der anderen acht zum Kombinat gehörenden Betriebe wurden die Gebäude, in denen sie bisher arbeiteten zur selbständigen Verwaltung übergeben. Der Betrieb Projektierung jedoch bekam nichts. Das Haus, in dem sie bisher saßen, soll mit den anderen unproduktiven Bereichen bis zum 1. Juli in eine Service GmbH IHB einfließen, die von der jetzigen Kombinatsleitung verwaltet werden soll. Wie daraus hervorgehende Gewinne verwandt werden, konnten die Chefs noch nicht erklären.

Die über 600 Kollegen sind vor allem deshalb wütend, weil wieder einmal über ihre Köpfe hinweg entschieden worden ist. Der fertige Beschluß landete, bevor ihn je ein Mitarbeiter gesehen, geschweige denn besprochen hat, auf den Tischen der Betriebsleitungen. Der Chef der Projektanten, Oberingenieur Thomas Hering, ließ das nicht auf sich beruhen. Zusammen mit dem Betriebsrat und der BGL stellten sie in einer Vollversammlung einen Mißtrauensantrag an den Kombinatsdirektor Wachholz und beschlossen mit ihrem Protestschreiben in die Volkskammer zu ziehen. „Es ist nicht so, das wir nicht verhandeln wollen, aber wir müssen unserem Anliegen auf diese Weise Nachdruck verleihen“, sagte Frau Brandes von der BGL.

Die Kombinatsleitung erklärte gegenüber der taz, daß es sich erst einmal um keinen endgültigen Beschluß handle. Es sei ein Irrtum seitens des Betriebes Projektierung, versicherten Peter Lübke, stellv. Ökonomiedirektor und Heinz Schneeweiß, stellv. Kombinatsdirektor. Die Aufteilung des Gebäudes in der Karl-Liebknecht-Straße sei kompliziert, weil darauf noch andere Kollegen Anspruch hätten, wie die Betriebe Gesellschafts- und Industriebau. Außerdem sei man auch enttäuscht darüber, daß die Kollegen von der Projektierung diese Probleme nicht im Hause besprochen hätten, sondern nun gleich auf die Straße gehen würden.

Kurz vor der Demo kam es doch zu einem Gespräch zwischen Heinz Schneeweiß und dem betroffenen Bereich. Die Klärung soll nun am kommenden Montag geschehen.

Anja Baum