„Sekundärrohstoff ade - ach bitte nee!“

■ Das System der Sekundärrohstoffannahmestellen (SERO) ist in der Marktwirtschaft gefährdet / Schon jetzt purzeln die Preise

Ost-Berlin. Als ein Vertreter des Umweltbundesamtes in West -Berlin fragte, ob sich das bisherige Abfallrecyclingsystem der DDR gegenüber dem Einbruch der Marktwirtschaft behaupten könne und die DDR aus den Fehlern der BRD zu lernen vermag, hatte SERO (Sekundärrohstofferfassung-)Direktor Steffen Kühne in Berlin (Ost) schon dicht gemacht. Er bedauerte: „Je weniger Altstoffe in den Kreislauf der Wiederverwendung geraten, desto schneller wachsen die Mülldeponien.“ Doch jetzt müsse landesweit erstmal Ordnung in den ganzen Laden gebracht und ein Schlußstrich unter die Betriebsbilanz gezogen werden.

Inzwischen hat SERO, eine der wenigen umweltfreundlichgen Leistungen der DDR-Kommandowirtschaft, nach einer Woche Inventur wiedereröffnet, mit durchweg niedrigeren Preisen. Statt früher 30 beziehungsweise 20 Pfennige gibt es nur noch 10 Pfennige für Gläser und Flaschen, der Preis für eine Kilo Lumpen wurde von einer Mark auf 50 Pfennige halbiert. Ein Kilo Bettfedern bringt nur noch 1 Mark 50.

Beim Altstoffhändler, wo sie damals auch hingehörten, landeten vor der Wende 90 Prozent der Zeitungen. Bei Flaschen und Gläsern waren es 80 Prozent. Die Gefahr ist nun groß, das die Faulheit über das Umweltbewußtsein, daß im Realsozialismus schon von Amtswegen wenig ausgeprägt war, siegt und die Müllberge wachsen werden.

Während der einwöchigen Inventur gab es zwar keine Schließung von Annahmestellen, aber unbefugtes Benutzen der vor den SERO-Stationen abgestellten Schrottanhänger. Auf denen landete nämlich so ziemlich alles an metallischen Abfällen, was beim Frühjahrsputz der Bürger an Klump aussortiert wurde. Außerdem entsorgte die Kommunale Wohnungsverwaltung auf diesem Wege ihre ausgesonderten Herde, Badeöfen und Wannen. AnwohnerInnen, die um den Aufkaufspreis des wertvollen Schrotts wußten, schleppten diese später zur nächsten SERO-Stelle.

Die Marktwirtschaft klopft auch bei SERO schon kräftig an die Tür. Aber anders als in den Betrieben haben sie keinen kompetenten Ansprechpartner aus dem Westen, mit dem zusammen sie das neue Konzept ihrem alten Unternehmen maßschneidern könnten. Einen ähnlich orientierten Betrieb gibt es im westlichen Ausland nicht. Also nun sind die MitarbeiterInnen selbst gefragt.

Steffen Kühne, Direktor des Bereichs Erfassung, erklärt was dabei rausgekommen ist: „Die Preise mußten runter, da die Industrie viele der Standardflaschen und -gläser nicht mehr zurücknimmt.“ Der Verpackungswahn des Westens, der sich demnächst auch über die DDR erstrecken wird, bringt eine Vielfalt an besonderen Formen mit sich, die nicht mehr so einfach standardisiert werden können. Rückführung wird für die Unternehmen unrentabler, weil teurer als der Einsatz von Neuglas. Der schwarze Umweltpeter liegt also glasklar bei der Industrie. „Vom Prinzip her können wir alles erfassen“, sagt Kühne, „das Netz der Aufkaufsstellen ist gut ausgebaut und für die Bürger ein gewohnter Anlaufpunkt.“ Von der westlichen Containermethode hält er nichts. „Wer soll die denn leeren und für die Sauberkeit ringsrum garantieren?“ Außerdem müssen die so gesammelten Abfälle anschließend mit der Hand sortiert werden.

Zur Eindämmung des Müllproblems gibt es seiner Meinung nach andere, einfachere Methoden: „Auf jede Flasche und jedes Glas wird beim Kauf ein Umweltbeitrag von fünfzig Pfennigen geschlagen. Die bekommt der zurück, der das Glas zur SERO -Stelle zurückbringt. Wer dafür zu faul ist, bestraft sich mit dem Geldverlust selber.“ Daß sich der Westen an solchen Überlegungen ruhig ein Beispiel nehmen sollte, findet er schon. „Wenn 1992 der EG-Binnenmarkt kommt, könnte das auch für alle Importe gelten.“

Um die Müllawine aufzuhalten, gingen gestern Grüne und Bündnis 90 auf die Straße. Sie forderten mehr Annahmestellen, die Erhöhung der Preise auf den Stand vom 31.3.90, eine Ökosteuer auf Getränke und Dosen und die spürbare Erhöhung der Deponiegebühren.

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