Keine tut, was sie soll

■ Eine Dokumentation über Aufbruch, Umbruch und Perspektiven der neuen Frauenbewegung in der DDR erscheint dieser Tage im Verlag Frauenoffensive

Beim Auf- und Ausbruch aus vierzig Jahren Realsozialismus waren die Frauen in der DDR in erster Reihe mit dabei. Nun ist die „Revolution“ vorbei, die alte neue Ordnung wiederhergestellt. In der Volkskammer sitzt ein Heer trister Anzüge - ihnen zur Seite etwas mehr als 20 Prozent Frauen. Die Regierungsposten sind verteilt. In den Ressorts Frauen und Familie, Jugend und Sport, Arbeit und Soziales, Handel und Touristik dürfen sich Ministerinnen bewähren. Das war's

-die „Wende“. Ein Patriarchat hat sich runderneuert.

„Frauen im Aufbruch - so haben wir angefangen. Dann kam der Umbruch. Und nun der Zusammenbruch?“ Niederlagen antizipierten Frauen wie Uta Röth, eine der Sprecherinnen des Unabhängigen Frauenverbandes in der DDR und einst dessen Vertreterin am Runden Tisch, bereits vor dem 18.März. Niedergeschlagen ist die neue Frauenbewegung in der DDR deswegen noch lange nicht.

Die jüngste Geschichte dieser Bewegung, nämlich vom Oktober 1989 bis zu den Wahlen am 18.März, ist in einem Buch festgehalten, das dieser Tage im Verlag Frauenoffensive erscheint. Titel: Aufbruch - Frauenbewegung in der DDR. Die Herausgeberin, Cordula Kahlau (Ost-Berlin), hat darin fast alle Dokumente zusammengestellt: Aufrufe, Flugblätter, Briefe, Zeitschriftenartikel, Diskussionspapiere, Selbstdarstellungen, Programme und Statuten. So z.B. der „offene Brief“ von Frauenforscherinnen an das ZK der SED: „Geht die Erneuerung an uns Frauen vorbei“, in dem zum ersten Mal eine harte Quotierung für alle gesellschaftlichen Positionen gefordert wurde, oder der Aufruf zur Gründung des Unabhängigen Frauenverbandes, der im ganzen Land gehört und befolgt wurde. Innerhalb weniger Wochen mauserte sich der zunächst chaotische Haufen zur wichtigsten Vertreterin frauenpolitischer Interessen und Forderungen. Der UFV erstritt sich seinen Platz am zentralen und an den regionalen runden Tischen, mischte sich dort entscheidend in die sozialpolitische Diskussion ein. Die wichtigsten Anträge aus jenen Tagen echter „Volksdemokratie“ sind in diesem Buch zu finden. Natürlich auch die Forderung des UFV nach einer Staatssekretärin zur Gleichstellung der Geschlechter im Ministerinrang - gerichtet an den damaligen Ministerpräsident Modrow. Der aber lehnte ab; der Runde Tisch hingegen nahm diese Forderung später an. Die große Koalition für Deutschland hat daraus nun ein Ministerium für Frauen und Familie gemacht.

Aber das Buch beschränkt sich nicht nur auf die „wichtigen“ Dokumente, wie das Manifest „Ohne Frauen ist kein Staat zu machen“, mit dem seine Autorin, Ina Merkel, und der UFV auf seinem Gründungskongreß über die DDR-Grenzen hinweg auf sich aufmerksam machten. Zu finden sind u.a. auch unveröffentlichte Leserinnenbriefe an die Zeitschrift 'Für Dich‘, die sich seit ihrer Entlassung aus der SED-Herrschaft um das Image eines engagierten Frauenmagazins bemüht. Frauengruppen aus dem ganzen Land stellen sich und ihre Ideen und Ziele vor. „Jede macht, was sie will - Keine macht, was sie soll“, heißt zum Beispiel das Vereinsmotto der „Freien Frauen Assoziation“ Weimar, eine Gruppe, die schon vor Jahren unterm Dach der Kirche einen regelmäßigen Treffpunkt für Frauen einrichtete und die zu den Geburtshelferinnen der neuen Bewegung zählt.

Die Dokumentation wird eingeleitet mit einem Aufsatz der 'Für Dich'-Journalistin Gislinde Schwarz (Ost-Berlin) über 40 Jahre sozialistische „Gleichberechtigung“ und dem Ausbruch der Frauen daraus. Wie aber geht es mit der Frauenbewegung in der Noch-DDR nach dem niederschmetternden Wahlergebnis weiter? Über Zukunftsperspektiven sprach Hilke Schlaeger (Frauenoffensive) mit Tatjana Böhm, die als Vertreterin des UFV in Modrows Übergangskabinett saß.

Ein Buch nicht nur für Profis und Amateurinnen in Sachen Frauen(bewegungs)geschichte. Wer selbst Kontakt zur DDR -Frauenszene aufnehmen will, die/der findet ganz hinten eine umfangreiche Adressenliste von Fraueninitiativen, -gruppen und -zentren all over the land.

Ulrike Helwerth

Cordula Kahlau (Hrsg.): Aufbruch - Frauenbewegung in der DDR. Verlag Frauenoffensive. München 1990. 197 Seiten. 22,50 DM.