„Jugoslawien fast Konföderation“

Zum Wahlsieg kroatischer Nationalisten und über eine Verfassungsreform in Jugoslawien / Gespräch mit dem Zagreber Philosophieprofessor Zark Puhovski  ■ I N T E R V I E W

Zark Puhovski, Philosophieprofessor an der Zagreber Universität, hat im Februar letzten Jahres mit einigen anderen Zagreber Intellektuellen eine Initiative für die Demokratisierung Jugoslawiens (UJDI) gegründet. Mit etwa 3.000 Mitgliedern, zumeist Akademikern, ist sie heute die einzige politische Organisation, die in ganz Jugoslawien vertreten ist. Ziel von UJDI war es, in die seit Jahren geführte Diskussion um eine Reform der Bundesverfassung einzugreifen, und im Gegensatz zum Zentralismus Belgrads sowie den separatistischen Bestrebungen in Slowenien eine demokratisch-föderalistische Verfassung zu entwerfen und öffentlich zu propagieren.

taz: Die ersten freien Wahlen im Nachkriegsjugoslawien statuieren in Slowenien und Kroatien nicht nur eine demokratische Prozedur, sondern entscheiden auch über jugoslawische Staatsordnung. Was hältst du von der slowenischen und kroatischen Forderung nach einer Konföderation?

Zark Puhovski: Der wesentliche Unterschied zwischen einer Konföderation und einer Föderation liegt darin, ob man eine direkt gewählte Vertretung der Bürger auf der Bundesebene hat oder nicht. Eine freigewählte direkte Vertretung gibt es in Jugoslawien nicht. Eine Verfassungsdiskussion, die sich um diese Probleme bemühen würde, ist bereits vor den Wahlen durch die Haltung Sloweniens und Kroatiens behindert worden. Unser Vorschlag war, eine Kammer von direkt gewählten Mandatsträgern aller Jugoslawen nach dem Prinzip einer proportional gleichen Stimmenzahl zu bilden und nur die zweite Kammer aus Delegierten der Teilrepubliken zu bilden. Die Slowenen und Kroaten aber wollten das bestehende Zweikammersystem beibehalten, wonach jede Republik, unabhängig von der Bevölkerungszahl, je 30 Mitglieder in beide Kammern wählt, die nicht nur über ein Vetorecht zu Gesetzesentscheidungen, sondern überhaupt zu Gesetzesvorlagen verfügen. So ist Jugoslawien faktisch schon jetzt eine Konföderation.

Deine Forderung wäre, die verfassungsmäßigen Voraussetzungen für die Wahlen auf der Bundesebene zu schaffen?

Die jetzigen Vertreter in der Föderation sind nicht in freien demokratischen Wahlen gewählt worden. Nun wird man in die Situation kommen, daß aus Slowenien und Kroatien demokratisch legitimierte Vertreter entsendet werden, aus Serbien und den anderen Republiken aber nicht. So stellt sich die Frage, ob die neu gewählten Delegierten aus Slowenien und Kroatien überhaupt bereit sind, ins Bundesparlament einzuziehen. Das ist keineswegs sicher. Dann ist auch nicht sicher, ob die alten Vertreter der anderen Republiken überhaupt bereit wären, mit ihnen zu sprechen. Vielleicht wird man einen Kompromiß finden, aber das Hauptproblem einer Neuordnung der Bundesverfassung bleibt ungelöst.

In Kroatien zeichnet sich ein überwältigender Sieg für die nationalistischen Kräfte um Tudjman und seine Partei (HDZ) ab. Wie wirkt sich dies für Jugoslawien aus?

Das Bild, das sich jetzt schon zeigt, ist eines der Polarisierung. Gesiegt hat eine kroatische Protestwelle gegen die serbische Politik. Wir haben es hier mit einer hoch emotionalisierten Bewegung zu tun. Allerdings wird auf dieser Basis keine normale Politik möglich sein. Tudjman selbst mag politikfähig sein, die Bewegung, die ihn zu diesem Sieg gebracht hat, ist es nicht. Die Minderheiten in Kroatien (25 Prozent der Bevölkerung Kroatiens) reagieren nun mit großer Angst. Nach dem Votum in Slowenien und Kroatien muß man befürchten, daß die freien Wahlen in anderen Republiken wegen der Gefahr einer nationalistischen Eskalation verhindert werden. Allerdings scheint mir, daß Tudjman und das slowenische Bündnis DEMOS bessere Partner für eine harte und erfolgreiche Verhandlung mit Milosevic und den orthodoxen Kräften sind als etwa die Reformkommunisten.

Interview: Dunja Melcic und Rino Mikulic