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Gewerkschaftspolitik verändern

■ betr.: "Wer löffelt die DGB-Suppe aus?", taz vom 12.4.90

betr.: „Wer löffelt die DGB-Suppe aus?“, taz vom 12.4.90

Ihr kritisiert sicherlich zu Recht die Verhältnisse im DGB. Doch es geht nicht nur um Personen in dieser Diskussion, sondern um Inhalte.

(...) Richtig ist die Tatsache, daß gewisse Strukturen im DGB geändert werden müßten. In Verbindung mit einer Strukturreform, die wie sie sich derzeit darstellt, von den Beschäftigten selbst auf die Wirksamkeit bezweifelt wird. Die beste Strukturreform ist die Motivation der MitarbeiterInnen und ehrenamtlichen KollegInnen.

Die Verteilung der Verantwortung auf viele, mit einhergehender Qualifizierung, wäre der Ansatz; doch da scheiden sich schon die hauptamtlichen Geister.

Demokratie „von unten“ wird unumgänglich sein für die Zukunft. Jahrelang selektieren die DGB-Ortskartelle vor sich hin. Gerade aber hier scheint eine Strukturreform äußerst nötig.

Zu überlegen ist, ob dieser gräßliche Name nicht eher in ein DGB-Forum umgewandelt werden sollte. Aber auch die Art der Delegation in ein solches Forum ist prekär. Denkbar wäre (und ich halte dies persönlich für den denkbarsten Weg), diese neuen Foren als Bürgerinitiative zu initiieren. Das würde nicht nur ArbeitnehmerInnen eine Diskussionsebene ermöglichen, sondern auch denen, die eben nicht oder nur sporadisch gesellschaftspolitisch engagiert sind. Hier bestehen unzählige Möglichkeiten breiter Kommunikation auch für gewerkschaftlich „Nichtorganisierte“ und die Gewerkschaften selbst.

Vorab müßten aber die Voraussetzungen geändert werden, die es möglich machen, sich an solchen Foren zu beteiligen.

Dazu gehört insbesondere der Abschied von der einzig gebliebenen Kultur: der Sitzungskultur.

Dazu gehört auch eine Streitkultur, die durch vorgehaltene Beschlußlage, Rituale und Moral verdrängt wurde. Was ist den Gewerkschaften an Kultur geblieben? Die Naturfreunde bewegen sich eher isoliert. Die Gesangsvereine oder der Arbeitersport ist privatisiert. Arbeiterlieder erinnern an militaristische Marschmusik.

Doch gerade durch Arbeitszeitverkürzungen und Flexibilisierung bieten sich Chancen, den Mensch als „Ganzes“ ernst zu nehmen. Gerade im Freizeitbereich. Dieser wurde jedoch als unpolitisch abgetan, und mensch verkroch sich in seinem Gewerkschaftsbüro, um sich darüber zu ärgern, daß schon wieder bei einer „hochpolitischen Veranstaltung“ zu wenig TeilnehmerInnen erschienen waren, zudem noch immer dieselben Gesichter.

Haben die Gewerkschaften sich nicht als Fachidioten mit ihren Feindbildern (die braucht mensch der Einfachheit halber wohl) isoliert und verschanzt.

Oder wie sieht es mit den Gewerkschaftshäusern aus? Ich nehme die Antwort vorweg: grauenhaft! Der Mief der Fünfziger. Selbst Versicherungen oder Ämter bieten kommunikativere Häuser und Einrichtungen.

Das DGB-Haus als Kommunikationsstätte mit Cafe, Ausstellungen, Lesungen etc. Wäre das nicht eine Alternative? Oder wie wäre es mit einer Kindertagesstätte im DGB-Haus? Haben das gewerkschaftliche Frauenausschüsse jemals gefordert? Der Verlust an Phantasie scheint ein Problem vieler politisch Aktiven zu sein. Ist die Politik schuld oder die Personen oder beides?

In diesem Sinne wäre eine öffentliche Diskussion mehr als nötig. Doch wollen die auch alle GewerkschafterInnen? In den Zeiten, wo weltweit Mauern fallen, ist es doch angesagt, eigene Mauern zu überprüfen. (...)

Lutz Fuchs-Jansen, Bischofsheim

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