Was verboten ist, ...

■ Einer der letzten DEFA-Filme von vor der Wende: Helmut Dziubas „Verbotene Liebe“, jetzt in den DDR-Kinos

Georg ist 18 und Barbara 13. Vor zwei Jahren haben sie das erste Mal miteinander geschlafen. Das ist, laut Gesetz, Verführung Minderjähriger und verboten. Aber die Kinder sind heutzutage nunmal frühreif, und die Eltern haben nicht selten Verständnis. Vor allem, wenn es sich, wie im Fall von Georg und Barbara, um wahre Liebe handelt. Deshalb kommt es, in der DDR und anderswo, nicht mehr unbedingt zum Prozeß. Probleme gibt es trotzdem genug: Ein 12jähriges Mädchen mag so frühreif sein, wie sie will, sie ist, aller Weiblichkeit zum Trotz, zugleich noch Kind und wehrlos. Das Gesetz läßt sich also nicht ohne weiteres abschaffen. Und was ist, wenn die 12jährige schwanger wird? Barbara wird es nicht, obwohl sie nicht verhütet; wie sie das hinkriegt, bleibt Geheimnnis des Regisseurs. Auch sonst scheint es ihm nicht eigentlich um die verbotene Liebe der beiden zu gehen: Barbara redet wie eine Erwachsene und sieht schon mit 11 aus, als sei sie 14, was die Brisanz der Thematik allein optisch entschärft. Dziuba ist außerdem peinlich bemüht, Georg nur ja nicht agieren zu lassen: er ist der Schüchterne, Sanfte, sieht immer verschreckt aus, sie ergreift die Initiative, faßt ihn an, versucht ihn zu verführen, zieht sich zuerst aus. Die beiden sind naß vom Regen, eben noch durchs Kornfeld gelaufen, Tropfen auf glatter Haut, Kinderfinger gleiten durch schwarze, nasse Haarsträhnen, die Kamera ist ganz nah am Mädchenkörper, gleitet herunter, sachte, zärtlich, Schnitt. Dziuba bemüht sich um Erotik; was ihm gelingt, ist Freizügigkeit, verklemmt, wie schon der Begriff (und der Filmtitel) impliziert. Die fast schon mythische Verklärung der wenigen erotischen Szenen bewirkt das Gegenteil dessen, was Dziuba wohl bezweckte: Sie sehen so verboten aus.

So oder so hat Verbotene Liebe andere Verbote zum Thema, als er zu verhandeln vorgibt. Zum Konflikt kommt es nämlich nur, weil die Väter von Georg und Barbara sich aus politischen Gründen nicht leiden können, weil außerdem der Schulrat ein sturer Funktionär ist, ganz im Gegensatz zur verständigen Lehrerin. Auf Lehrer- und Schülerversammlungen wird über den Fall debattiert, es geht um Verständnis für die Jugend im realen Sozialismus, klassische DEFA-Sätze werden gewechselt wie „Bewußtsein läßt sich nicht verordnen“, Dziuba zitiert gar seinen eigenen letzten Film, in dem sich die Schüler beschweren, daß sie doch nichts gelernt haben, außer Fähnchen zu schwenken.

Schließlich proben die Schüler solidarisch den Aufstand: „Freiheit für Georg“ - sowas war bis vor einem Jahr im DDR -Kino noch so gut wie verboten. Um dieses Verbot ist es Dziuba zu tun; sein Film ist ein Lehrstück wie die DDR -Tresorfilme der 60er Jahre, genauso betulich, genauso linientreu gegen Bürokratie und für einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz. Das jugendliche Publikum vergangene Woche im Ostberliner Kino „International“ ergötzte sich denn auch an der unfreiwilligen Komik solch antiquierter Brisanz.

chp

Helmut Dziuba, Verbotene Liebe, mit Julia Brendlier und Hans -Peter Dahm, DDR 1989, ca. 90 Min.