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Botschaft oder Mordzentrale?

Nach der Erschießung des oppositionellen Exilpolitikers Kazem Radschawi mehren sich Hinweise auf Tatbeteiligung Teherans / Kritik an Schweizer Akkreditierungspraxis / Der Iran dementiert  ■  Aus Genf Andreas Zumach

Nach Überzeugung der iranischen Volksmudschahedin ist der Mord an ihrem Vertreter in Genf, Kazem Radschawi, direkt vom iranischen Präsidenten Rafsandschani angeordnet worden. Im Zusammenhang mit früheren Ermordungen iranischer Oppositioneller führt der Fall Radschawi auch zu Kritik an der Praxis der Schweizer Regierung sowie der Polizei- und Justizbehörden. Insbesondere der Schutz gefährdeter Exilpolitiker, die Verfolgung von Anschlägen sowie die Akkreditierung umstrittener Personen, hieß es, werde zu nachlässig gehandhabt.

Der in Frankreich lebende Bruder des Ermordeten, Saleh Radschawi, erklärte in Genf, Rafsandschani sei „direkt verantwortlich“ für den Mordanschlag. Dessen Ausführung sei von den Botschaftern Irans in Genf und Bern, Cyrus Nasseri und Hossein Malaek, koordiniert worden. Die Volksmudschahedin besäßen den Mitschnitt eines Teheraner Telefonats, in welchem Irans Konsul in Genf, Karim Abadi, am Dienstag nachmittag die Ausführung des Anschlages an seine Regierung gemeldet habe. Die Attentäter hätten nach dem Anschlag zunächst die iranische Botschaft in Genf aufgesucht und seien dann mit dem nur dienstags verkehrenden Direktflug der Iran Air nach Teheran getürmt.

Die Polizei hat inzwischen das Auto der Täter in der Nähe des Flughafens gefunden. In einem Telegramm an den Schweizer Bundespräsidenten Koller kritisierte der in Bagdad lebende Bruder des Ermordeten und Chef der Volksmudschahedin, Massud Radschawi, die Schweizer Behörden. Sie hätten trotz zahlreicher Morddrohungen gegen Kazem Radschawi dessen dringender Bitte nach Polizeischutz im Dezember 1987 nicht entsprochen. Auch Jean Ziegler, Genfer Mitglied des Schweizer Nationalrates, hatte sich schon im letzten Jahr vergeblich um Polizeischutz für Radschawi bemüht. Schon 1987 wurde - unter ungeklärten Umständen - in Genf ein oppositioneller Ex-Pilot der Iran Air ermordet.

Gegen die Akkreditierung Hossein Malaeks als Botschafter Irans in Bern hatten im Frühjahr 1988 die USA mehrfach bei der Berner Regierung interveniert. Nach Darstellung Washingtons wie der Volksmudschahedin war Malaek „führend“ an der Besetzung der Teheraner US-Botschaft 1979 und an den Verhören der amerikanischen Geiseln beteiligt. Ihm war aus diesem Grunde bereits von vier anderen Staaten die Akkreditierung als Botschafter verweigert worden. Die Schweiz, über deren Teheraner Botschaft seit 1981 auch die US-Interessen vertreten werden, setzte sich über Washingtons Bedenken hinweg und akzeptierte Malaek. Ein Botschaftssprecher Irans in Bern wies indes alle Vorwürfe zurück. Die Erschießung von Kazem Radschawi, so ein Botschaftssprecher, sei innere Angelegenheit der Volksmudschahedin, die diesen Vertreter selbst hätten loswerden wollen.

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